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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Autoren: Z. A. Recht
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auf. Als die Polizisten bei ihm waren, wechselte er in den örtlichen Dialekt. » Bringen Sie sie bitte gleich rein. Brauchen Sie die Autopsieergebnisse zu einem bestimmten Termin?«
    » So schnell wie möglich«, sagte der Polizist, der sich auf dem Rollfeld mit Mbutu unterhalten hatte. Weitere Ausführungen machte er nicht. Dr. Mayer stellte ihm auch keine Fragen. In diesem Land fuhr man am besten, wenn man Amtspersonen ihre Aufgaben erledigen ließ und sich nur um seine eigenen kümmerte.
    » Lassen Sie sie bitte hier«, wies Dr. Mayer die Polizisten und Sanitäter an. Er führte sie in die Leichenhalle. Der Raum war kühl und steril und roch antiseptisch. In der Raummitte standen zwei Seziertische aus rostfreiem Edelstahl; darüber an der Decke hingen Leuchtkörper. Beim Eintreten betätigte Dr. Mayer einen Schalter an der Wand. Die Lampen erwachten surrend zum Leben. Eine Birne ging laufend an und aus und summte leise vor sich hin.
    Die Sanitäter schoben die Transportliegen an die Wand gegenüber und händigten Dr. Mayer ein Klemmbrett aus. Sein Blick überflog das Formular, dann nahm er den Kugelschreiber aus der Brusttasche und unterschrieb es schnell, wobei er einen Schnörkel unter das Y seines Nachnamens malte. Die Polizisten machten sich nicht die Mühe, ihm irgendetwas zu erzählen, doch als sie hinausgingen, hörte er sie über einen Gefangenen reden, mit dem sie noch einige Stockwerke höher fahren wollten, damit seine Wunden behandelt wurden.
    Dr. Mayer wusste, was von ihm erwartet wurde, deswegen blieb er gelassen.
    » Könnte sein, dass Sie einen leichten Schreck kriegen, wenn Sie sie aufmachen«, sagte einer der Sanitäter, als die Polizisten gingen. Der Mann tat wie ein Verschwörer. Er schaute sich um, als wolle er sichergehen, dass die Polizisten ihn nicht hörten. » Die Bullen glauben, es sind Kannibalen oder Rebellen. Hab sie drüber reden hören.«
    » Danke«, sagte Dr. Mayer. Er musterte den Sanitäter eingehend. Für einen Menschen, der auf Mombasas Straßen schon jede Art von Verletzung gesehen hatte, wirkte er ungewöhnlich aufgewühlt. Nun war Dr. Mayer wirklich neugierig auf das, was er finden würde.
    Als alle Besucher weg waren, ging Dr. Mayer wieder seinen Geschäften nach. Er zog Latexhandschuhe an, band sich einen Mundschutz um und rückte seine Brille über den Gummibändern gerade. Er schob ein Instrumentenwägelchen zu einem der glänzenden Tische und holte sich von der Anmeldung einen leeren Schnellhefter und einen Taschenrekorder. Schließlich zog er die erste Transportliege zu sich heran. Normalerweise hätte ihm jemand geholfen, die Leiche von der Liege auf den Seziertisch zu hieven, aber es ging auch ganz gut alleine, wenn man zuerst Kopf und Schultern beiseiteschob, ans andere Ende der Leiche ging und die Beine zum Tisch hinüberzog.
    Als Dr. Mayer vor dem dunklen Leichensack stand, schaltete er den Rekorder ein. Die Beschriftung der schwarzen Kunststoffhülle besagte, dass es sich um einen der Unbefugten handelte, die am Flughafen ein unbenanntes Verbrechen verübt hatten.
    » Erster Proband, am 9. Dezember um 20.20 Uhr in Empfang genommen«, sagte Dr. Mayer und öffnete den Reißverschluss des Sackes. Er schob den Kunststoff beiseite und runzelte die Stirn. » Proband ist ein Erwachsener männlichen Geschlechts zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren. Scheint körperlich mittelmäßig in Form gewesen zu sein. Einige Anzeichen von Unterernährung sind nicht zu übersehen. Zwei seitliche Narben am linken Oberschenkel. Wunden scheinen alt zu sein.«
    Dr. Mayer hob den Kopf des Toten mit behandschuhten Händen an und drehte ihn ein wenig im hellen weißen Licht der Beleuchtkörper. Die schadhafte Birne summte, knisterte und flackerte weiterhin.
    » Todesursache vermutlich ein Schädeltrauma. Eine, möglicherweise auch zwei Schusswunden, die durch den frontalen Hirnlappen eingedrungen und am Hinterkopf ausgetreten sind. Schädel scheint zerschmettert zu sein, höchstwahrscheinlich aufgrund von Kalziummangel.«
    Dr. Mayer hielt inne und runzelte die Stirn.
    » Interessant.«
    Er zog einen langen Baumwolltupfer aus einem Gefäß auf dem Instrumentenwägelchen und tauchte sie in eine klaffende Wunde an der Schulter der Leiche. Als er ihn zurückzog, war er voll von dem schwarzen sirupartigen Blut, das auf der die Wunde umgebenden Haut geronnen war.
    » Proband wurde offenbar von einem Tier gebissen. Das Muster der Verletzung deutet auf einen Biss hin. Vielleicht war es
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