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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Autoren: Z. A. Recht
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Vieren an den beiden Männern begangen worden, die man zusammen mit ihnen eingeliefert hatte. Die Mordmethode war jedoch grässlich und aufschlussreich.
    » Todesursache ist vermutlich Blutverlust oder Schocktrauma. Für genauere Angaben ist es noch zu früh. Wunden sind an Hals, Schultern und Unterarmen sichtbar. Proband hat offenbar versucht, den Angriff abzuwehren, der ihn getötet hat. Wundmuster sind ähnlich wie jene, die die drei vorherigen Probanden aufweisen. Es scheint sich um Bisse zu handeln.«
    Dr. Mayer rieb sich mit dem Handrücken die Augen und schaute noch einmal hin. Er stand auf, ging zur Anmeldung hinüber, hob den Telefonhörer ab und wählte.
    » Dr. Mayer, unten in der Leichenhalle«, meldete er sich. » Sind meine Röntgenaufnahmen fertig?«
    Er lauschte.
    » Gut. Können Sie sie bitte so schnell wie möglich herunterbringen lassen?« Und kurz darauf: » So schnell wie möglich, habe ich gesagt. Die Polizei möchte den Autopsiebericht haben.«
    Und ich auch, dachte er.
    Er legte auf und kehrte zum Hocker am Seziertisch zurück. Mit der kleinen Kamera und einem Bandmaß zeichnete er die Abmessungen der Bisswunden an der Schulter des Wachmannes auf. Er konzentrierte sich auf einen äußerst klaren Abdruck, einfache geschwärzte Zahnabdrücke in einem fast perfekten Bissmuster. Er wollte die Abdrücke zur Feststellung der Richtigkeit seiner Hypothese verwenden.
    Als er die Maße mit dem Kugelschreiber auf einen Schreibblock übertrug, schob die Oberschwester die Schwingtür der Leichenhalle auf, um ihm zwei dicke Umschläge zu bringen. Mayer stand auf, schlurfte zur Wand und entnahm den Umschlägen die schwarzgrauen Röntgenbilder. Er entnahm jedem Ordner eine Aufnahme, klatschte sie an einen dunklen Bildschirm und schob die Tüten in eine seiner voluminösen Kitteltaschen.
    Dr. Mayer riss das Blatt mit den Maßangaben von seinem Schreibblock ab und befestigte es ebenfalls am Bildschirm. Dann schaltete er das Licht dahinter ein. Einige Sekunden später ging es flackernd an. Er beugte sich vor und verglich die Röntgenaufnahmen der Kiefer des Angreifers mit den Zahnabdrücken an der Schulter des Wachmannes.
    Er murmelte vor sich hin, kritzelte Zahlen und Bemerkungen auf den Block, schaute von einem Bild zum anderen und notierte die Breite beider Kiefer, die Form der Zähne und welche Zähne nicht mehr vorhanden oder beschädigt waren.
    » Könnte passen«, sagte er, während sein Blick zwischen den Fotos und dem Schreibblock hin- und herhuschte. » Könnte von einem Menschen stammen. Vielleicht hat der letzte Proband die passenden Kiefer.«
    Hinter ihm schien sich der Arm des Wachmannes zu verlagern. Dr. Mayer schaute kurz zum Tisch hinüber, doch der Leichnam rührte sich nicht. Er wandte sich wieder den Röntgenbildern zu.
    » Moment«, sagte er und löste eine Aufnahme von der Scheibe ab. Er legte sie auf den Schreibtisch und riss das oberste Blatt des Blockes ab. Er verglich sorgfältig einen winzigen Spalt im linken Eckzahnabdruck des Wächters mit einem anderen auf der Aufnahme. » Sie sind identisch. Sie passen!«
    Der Wachmann auf dem Seziertisch hatte seinen Kopf langsam von Dr. Mayer fortgedreht. Seine Augen waren nun offen, doch glasig und leblos. Dr. Mayer saß noch immer mit dem Rücken zum Tisch da und begutachtete mit gefurchter Stirn die Papiere in seinen Händen.
    Der Wachmann richtete sich langsam und lautlos auf. Er blieb einen Augenblick sitzen und legte den Kopf in den Nacken, um in die Lampe zu schauen, die sich über ihm an der Decke befand. Es war der schadhafte Leuchtkörper. Er ging an und aus und hüllte das Gesicht des Wachmannes in eine Art grünliches Quasi-Stroboskoplicht. Er schien davon völlig gefangen zu sein.
    Dr. Mayer ließ die Mine seines Kugelschreibers klicken. Das leise Geräusch ließ den Wachmann den Kopf in die Richtung drehen, aus der es gekommen war. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch er äußerte kein Wort. Es gelang ihm jedoch, einen Laut zu erzeugen, der wie ein Seufzen klang.
    Dr. Mayer war zur einzig möglichen Lösung gelangt. Die Wachmänner waren von den vier unidentifizierten Angreifern totgebissen worden. Diese Männer waren (wenn seine Beweise stimmten) aber schon tot gewesen, als sie die Wachmänner gebissen hatten. Wäre Dr. Mayer nur eine winzige Kleinigkeit weniger vernünftig gewesen, wäre er nun übergeschnappt. Seine Vernunft aber sagte ihm, dass es hier irgendwo ein winziges Beweisstück geben musste, das er
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