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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Autoren: Z. A. Recht
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übersehen hatte, und das ihm, wenn er es fand, einen schönen, logischen, sicheren Schluss liefern würde, den er der Polizei– und sich selbst– übergeben konnte. Schließlich gab es keine Untoten.
    Das war der Augenblick, in dem er hinter sich das Seufzen hörte.
    Dr. Mayer spürte, dass es ihm kalt über den Rücken lief. Er war verlockt, sich umzudrehen. Dann kicherte er plötzlich vor sich hin, schob das Gefühl beiseite und tauchte tiefer in seine Notizen ein, um das fehlende Indiz zu suchen. Das Geräusch konnte doch gar nichts anderes sein als die sich einschaltende Kühlanlage der Leichenhalle. Seine Fantasie ging einfach mit ihm durch.
    Als Dr. Mayer kicherte, rutschte der Wachmann vom Seziertisch und landete schwerfällig auf den Füßen. Hätte der wackere Arzt in diesem Moment kein Geräusch gemacht, hätte er das leise Klatschen von Fleisch vernommen, das ertönte, als der Wachmann den Boden berührte.
    Der Wachmann machte einen vorsichtigen torkelnden Schritt voran. Das an seiner Zehe befestigte Etikett schleifte über die Bodenfliesen.
    Diesmal drehte Dr. Mayer sich um.
    Er riss die Augen auf, stieß gegen seinen Schreibtisch und warf die Tasse mit den Kugelschreibern und Bleistiften um. Sie flogen in alle Richtungen. Als Dr. Mayer um sich tastete, landeten auch die Röntgenbilder und Aktenordner auf dem Boden.
    Der Wachmann war genau hinter ihm. Dr. Mayer spürte, dass seine Hände seinen Arm und seinen Hals packten und ihn auf den Schreibtisch drückten. Er sah die Fratze des toten Wachmannes, die finster auf ihn hinabstarrte.
    Dr. Mayer schrie.
    Das ist doch nicht möglich! Tote können doch nicht leben! Sie sind tot! Sie sind TOT !
    Der Wachmann kratzte Dr. Mayer und hinterließ knallrote Striemen auf seinen Armen. Dann schlug er seine Zähne in eine von Dr. Mayers Händen und biss zu. Dr. Mayer schrie erneut und trat panisch um sich.
    Die Tür der Leichenhalle wurde aufgestoßen. Die Schwester, die ihm kurz zuvor die Röntgenaufnahmen gebracht hatte, stürzte in den Raum. Diesmal warf sie allerdings nur einen Blick auf die Szenerie, dann fuhr sie auf dem Absatz herum und ergriff nach Hilfe schreiend die Flucht.
    » Lassen Sie mich nicht allein!«, rief Dr. Mayer hinter ihr her.
    Der sich über ihn beugende Wachmann schien eine Antwort zu knurren. Ein tiefes, kehliges Ächzen kam aus dem zerfetzten Überbleibsel seines Halses.
    Die Tür der Leichenhalle wurde zugezogen. Dr. Mayer kam nur noch einmal dazu, einen Schrei auszustoßen, dann erstarb seine Stimme. Die glimmende Lampe an der Decke summte und flackerte weiter und schaukelte knarrend hin und her.

ZWEITER TEIL
    SCHWELEN

ANFANG KORRESPONDENZÜBERWACHUNG
    E-Mail-Fenster
    Von: Anna Demilio
    An: Francis Sherman
    Datum: 12. Dezember 2006, 11:10:05
    Betr.: MORGENSTERN
    General,
    wir haben kürzlich ein Opfer des Morgenstern-Erregers von einem Kontakt in Mombasa erworben. Der Mann wurde offenbar von einem anderen Opfer gebissen und erkrankte kurz darauf. Ich hätte mir nicht die Mühe gemacht, Dich mit dieser Aktualisierung zu belästigen, wenn es nicht wichtig wäre. Ich würde sogar so weit gehen, es lebenswichtig zu nennen. Wir haben das Opfer als den Österreicher Dr. Klaus Mayer identifiziert. Wir kennen den Zeitpunkt seiner Infektion und haben auch eine Gewebeprobe des ursprünglichen Wirts. In diesem speziellen Fall hat es nur wenige Stunden gedauert, bis Dr. Mayer der Krankheit erlag. Meine Hypothese steht in Beziehung zu den Wunden, die ihm bei der Übertragung des Virus zugefügt wurden, und zwar am Kopf und am Hals, und mit den Zähnen und Fingernägeln des ursprünglichen Wirts.
    Wie Du weißt, injizieren wir Probanden beim Laborversuch eine Dosis des Virus normalerweise in die Lende oder die Hinterbacke und beobachten die Reaktion. In Dr. Mayers Fall wurde eine viel größere Menge des Erregers direkt in die Halsschlagader weitergeleitet, was dem Virus einen unmittelbaren Weg in sein Hirn und sein zentrales Nervensystem ermöglichte. Bei unserem Versuch hätte das Virus Gefäße und Kapillaren nahe am Injektionspunkt infiziert, multipliziert und langsam in Richtung Hirn verbreitet, bevor es zu Symptomen gekommen wäre. Ich glaube, dass Dr. Mayers schnelle gesundheitliche Verschlechterung auf die Größe und Lage seines Infektionsherdes zurückzuführen war. Bemerkenswert ist die offenkundige Wahl des ursprünglichen Wirts, Dr. Mayer speziell an diesen Stellen anzugreifen statt z.
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