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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx
Autoren: Jules Verne
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Erster Band.

Erstes Capitel.
Die Kerguelen-Inseln.
    Die hier »Eissphinx« genannte Erzählung wird jedenfalls niemand für wahr halten wollen. Immerhin dürfte es meines Erachtens nach gut sein, sie zu veröffentlichen, mag einer nun daran glauben oder nicht.
    Als Ausgangspunkt für diese wunderbaren und schrecklichen Abenteuer könnte es schwerlich einen geeigneteren geben, als das Desolationsland, ein Name, der der Hauptinsel der betreffenden Gruppe 1779 vom Kapitän Cook gegeben wurde. Nach dem, was ich in mehrwöchigem Aufenthalte hier gesehen habe, kann ich allerdings bestätigen, daß sie den traurigen Namen, den ihr der berühmte englische Seefahrer einst beilegte, mit vollem Rechte verdient.
    Ich weiß, daß man in den geographischen Namenlisten noch immer die Bezeichnung Kerguelen-Inseln (oder Kerguelenland) fortführt, der ja allgemein für diese unter 49°54’ südl. Breite und 69 1 / 2 bis 70 1 / 2 östl. Länge von Greenwich gelegene Inselgruppe angenommen worden ist, was daher kommt, daß der französische Seefahrer Ives Joseph de Kerguelen Tremarer im Jahre 1772 von den im südindischen Ocean verlorenen Inseln die erste Kunde gab. Bei seiner ersten Fahrt hierher hatte der Leiter der Expedition ein neues Festland an der Grenze des antarktischen Meeres vor sich zu sehen geglaubt, eine zweite Reise klärte ihn aber über diesen Irrthum auf – er erkannte, daß es sich nur um eine Inselgruppe handelte. Der Leser glaube indeß meiner Versicherung, daß der Name Desolationsland der einzig richtige ist, der dieser Gruppe von dreihundert Inseln und Eilanden zukommt – diesem verlassenen Erdenwinkel inmitten der oceanischen Einöde, durch die fast unablässig wüthende Südstürme dahinfegen.
    Die Gruppe ist trotzdem bewohnt und am 2. August 1839 hatte sich, Dank meiner Anwesenheit in Christmas-Harbour, die geringe Zahl von Europäern und Amerikanern, die den eigentlichen Kern der kerguelischen Bevölkerung bilden, sogar um eine Einheit erhöht. Freilich wartete ich jetzt nur auf eine Gelegenheit, den Ort zu verlassen, da ich meine geologischen und mineralogischen Forschungen – den eigentlichen Zweck meiner Reise – hier längst vollendet hatte.
    Der Christmas-Hafen liegt an der bedeutendsten Insel dieses Archipels, die eine Ausdehnung von viertausendfünfhundert Quadratkilometern (fast doppelt so viel wie das deutsche Herzogthum Anhalt) hat. Er ist sehr sicher, meist leicht zugänglich und bietet Schiffen in vier Faden Tiefe einen guten Ankergrund. Nach Umschiffung des Cap François im Norden, das der zwölfhundert Fuß hohe Tafelberg beherrscht, blickt man durch die Basaltarkade, die sich an dessen Spitze weit öffnet. Da bemerkt man eine enge Bai, eine Art Fjord, der durch kleine Eilande gegen heftige Ost-und Westwinde geschützt ist. Im Hintergrunde liegt Christmas-Harbour. Die Schiffe fahren, sich mehr rechts haltend, gerade darauf zu und brauchen sich, an Ort und Stelle angelangt, nur vor einen einzigen Anker zu legen, was ihnen, so lange kein Eis in der Bai steht, ein leichtes Wenden gestattet.
    Die Kerguelen weisen übrigens noch Hunderte anderer Fjorde auf. Ihre Küsten sind zerrissen, ausgefranst, möchte man fast sagen, vorzüglich an dem zwischen Norden und Südosten gelegenen Theile. Inseln und Eilande ragen in großer Menge empor. Der Boden von vulkanischem Ursprung besteht in der Hauptsache aus Quarz, der mit einem bläulichen Gestein vermengt ist. Im Sommer bedeckt er sich mit grünem Moose, grauen Flechtenarten, verschiedenen phanerogamischen Gewächsen, meist steifen, harten Saxifragen (Steinbrech). Daneben kommt noch eine strauchähnliche Staude, eine Art Kohl von sehr herbem Geschmack vor, der sich in anderen Ländern wohl kaum wiederfindet.
    Solche Bodenstrecken eignen sich ganz besonders als Wohnstätten für Königspinguine und ähnliche Vögel, die diese Gebiete denn auch in unzähligen Schaaren bevölkern. Von gelb und weißem Gefieder, den Kopf nach rückwärts geworfen, und mit Flügeln, die wie Aermel eines Talars aussehen, erscheinen die dummen Vögel von ferne gesehen wie ein Zug von Mönchen, der sich längs des Strandes hin bewegt..
    Außerdem bieten die Kerguelen vielen Pelzseehunden, Rüsselrobben und See-Elephanten vorzügliche Schlupfwinkel. Die Jagd oder der Fang dieser werthvollen Amphibien gab auch Anlaß zu einem lohnenden Handel, der damals zahlreiche Schiffe nach jenen Gegenden lockte.
    An genanntem Tage lustwandelte ich eben am Hafen, als mein Gastwirth
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