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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx
Autoren: Jules Verne
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hatte ich mich einer der festen Schaluppen anvertraut, mit denen die Fischer den Windstößen trotzen, die wie Katapulte gegen die Felsen der Kerguelen donnern. Mit diesen Fahrzeugen könnte man die Ueberfahrt nach Capstadt wagen und würde, wenn auch nach längerer Zeit, den Hafen gewiß erreichen. Meine Absicht war es indeß keineswegs, Christmas-Harbour in einer solchen Nußschale zu verlassen… nein ich »erhoffte« die Goulette »Halbrane«, und diese konnte nicht mehr lange ausbleiben.
    Bei den Spaziergängen von einer Einbuchtung zur anderen sah ich verwundert die verschiedenen Formen dieser zerrissenen Küste, dieses seltsamen Knochengerüstes rein vulkanischen Ursprungs, das jetzt, das weiße Bahrtuch des Winters durchbrechend, die bläulichen Glieder seines Skeletts hervortreten ließ.
    Wie packte mich da manchmal die Ungeduld, trotz der weisen Rathschläge meines Gastwirths, der sich in seinem Hause in Christmas-Harbour so glücklich fühlte! Wie selten sind doch in dieser Welt die Leute, die die Praxis des Lebens zu Philosophen gemacht hat. Bei Fenimore Atkins hatte übrigens das Muskelsystem entschieden das Uebergewicht über das Nervensystem. Vielleicht war ihm weniger Intelligenz als eine Art Instinct gegeben. Derlei Leute sind gegen Widerwärtigkeiten des Lebens besser gewappnet, und im ganzen sind ihre Aussichten, das Glück zu finden, vielleicht verheißender.
    »Nun, und die Halbrane?… fragte ich ihn jeden Morgen.
    – Die »Halbrane«, Herr Jeorling?… antwortete er dann in zuverlässigstem Tone. O, die wird jedenfalls heute eintreffen, na, und wenn nicht heute, dann morgen!… Es muß doch unbedingt erst einen Tag vor dem geben, an dem die Flagge des Kapitän Len Guy an der Einfahrt von Christmas-Harbour flattert!«
    Um mein Gesichtsfeld zu erweitern, hätte ich nur den Table-Mount (Tafelberg) zu ersteigen brauchen. In einer Höhe von zwölfhundert Fuß kann man schon vierunddreißig bis fünfunddreißig Meilen (etwa 57 Kilometer) weit sehen und selbst durch leichten Dunst wäre die Goëlette vielleicht vierundzwanzig Stunden früher zu bemerken gewesen. An ein Erklimmen dieses Bergs aber, dessen Abhänge bis zum Gipfel hinauf noch mit Schnee bepackt waren, hätte nur ein Tollkopf denken können.
    Wenn ich über die Strandflächen hinwanderte, trieb ich nicht selten eine Menge Amphibien in die Flucht, die in das Schmelzwasser tauchten. Die stumpfsinnigen und schwermüthigen Pinguine ließen sich durch meine Annäherung indeß nicht stören. Hätten sie nicht das charakteristische dumme Aussehen, so wäre man wirklich versucht, sie anzusprechen, vorausgesetzt, daß man sich ihrer schreienden, ohrbetäubenden Sprache bedienen könnte. Die Sturmvögel dagegen, die schwarzen und die weißen Wasserscheerer, die Silbertaucher, Seeschwalben und Trauerenten flatterten eiligst von dannen.
     

    Plötzlich erhob sich der Vogel mit weit ausgespannten Schwingen. (S. 16.)
     
    Einmal war es mir auch vergönnt, dem Wegzuge eines Albatros beizuwohnen, den die Pinguine mit lautem Krächzen begleiteten, etwa so, als ob ein Freund sie für immer verließe. Diese mächtigen Flieger können, ohne einen Augenblick zu ruhen, Strecken von zweihundert Lieues (1 Lieue = 3 / 4 geographische Meilen) zurücklegen und das mit solcher Schnelligkeit, daß sie sehr lange Strecken in wenigen Stunden durcheilen.
    Der Albatros, der erst regungslos auf einem hohen Felsen am Ende der Bucht von Christmas-Harbour saß, schaute dabei auf das Meer hinaus, dessen Brandung wüthend gegen die Uferklippen schäumte.
    Plötzlich erhob sich der stolze Vogel mit weit ausgespannten Schwingen, angezogenen Beinen und gleich einem Schiffsschnabel vorgestrecktem Kopfe, ließ einen scharfen Schrei ertönen, und wenige Minuten später verschwand er schon, in den hohen Luftschichten zu einem schwarzen Punkte zusammengeschrumpft, in den Dunstmassen des Südens.
Zweites Capitel.
Die Goëlette »Halbraue«.
    Dreihundert Tonnen groß, mit schräg stehenden Masten, was ihr gestattete, auch scharf am Winde noch schnell vorwärts zu kommen, und mit einer Segelausrüstung, die für das Schiff ziemlich reichlich erschien – das war der in Christmas-Harbour erwartete Schooner, die Goëlette »Halbrane«.
    An Bord befanden sich ein Kapitän, ein Lieutenant, ein Hochbootsmann, ein Koch und acht Matrosen, zusammen zwölf Mann, die zur Schiffsführung vollständig ausreichten. Sehr fest gebaut, die Schanzkleidung mit Kupfer bezogen, mit angepaßten Segeln
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