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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx
Autoren: Jules Verne
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beträchtlich, so ist das Klima im allgemeinen doch feucht und kalt. Sehr häufig, und vorzüglich im nördlichen Theile, wird die Inselgruppe von wilden, mit Graupeln und Regen vermischten Nord-oder Weststürmen gepeitscht. Nach Osten zu hält sich der Himmel klarer, obwohl auch hier ein halbverschleiertes Licht herrscht, und von dieser Seite reicht die Schneegrenze auf den Bergen bis auf nur fünfzig Toisen (117 Meter) ü. d. M. hinab.
    Nach meinem zweimonatigen Verweilen auf dem Archipel der Kerguelen, erwartete ich also mit einiger Ungeduld die Gelegenheit, an Bord der Goëlette »Halbrane« davon wieder abzureisen, eines Schiffes, dessen Seetüchtigkeit und sonstige Eigenschaften mein enthusiastischer Wirth zu rühmen nicht aufhörte.
    »Sie könnten es gar nicht besser treffen! wiederholte er mir früh und spät. Von allen Kapitänen langer Fahrt in der englischen Handelsflotte kann sich, was Kühnheit und Erfahrung im Berufe betrifft, mit meinem Freunde Len Guy kein einziger messen. Nur noch etwas redseliger und mittheilsamer, und er wäre vollkommen.«
    Ich hatte mir denn auch vorgenommen, die Empfehlungen des Meister Atkins zu befolgen und wollte hier so lange bleiben, bis die Goëlette bei Christmas-Harbour eintreffen würde. Nach einem Aufenthalt von sechs bis sieben Tagen sollte sie dann wieder auslaufen und nach Tristan d’Acunha gehen, wohin sie eine Ladung Zinn-und Kupfererz zu bringen hatte.
    Auf letztgenannter Insel wollte ich in der schönen Jahreszeit einige Wochen verweilen und hoffte, von da aus nach Connecticut heimzukehren. Dabei übersah ich jedoch keineswegs den Antheil, der bei menschlichen Entschließungen dem Zufall zukommt, denn es ist, wie Edgar Poe gesagt hat, allemal weise, immer »mit dem Unerwarteten, Unvorhergesehenen und Unbegreiflichen zu rechnen, nicht zu vergessen, daß Nebensachen, unvermuthete, rein zufällige Zwischenfälle oft ein gewichtiges Wort reden, das man bei streng vorsichtiger Rechnung nicht außer Acht lassen darf.«
    Wenn ich hier unseren großen amerikanischen Schriftsteller anführe, obwohl ich sehr nüchternen Geistes, ernsten Charakters und wenig phantastischer Natur bin, so geschieht es, weil ich den geistvollen Dichter menschlicher Sonderlichkeiten dennoch warm bewundere.
    Um jedoch auf die »Halbrane« oder vielmehr auf die Gelegenheiten zurückzukommen, die sich mir in Christmas-Harbour zur Wiedereinschiffung bieten dürften, so brauchte ich keine Enttäuschung zu fürchten. In der herannahenden Jahreszeit wurden die Kerguelen gewiß von vielen, mindestens fünfhundert, Schiffen aufgesucht. Der Fang von Celaceern lieferte hier reichen Ertrag, dafür spricht schon die Thatsache, daß man von einem See-Elephanten eine ganze Tonne oder ebenso viel Thran gewann, wie von tausend Pinguinen. In den letzten Jahren liefen den Archipel freilich nur etwa noch ein Dutzend Fangschiffe an, da die unbeschränkte Vernichtung der Walthiere deren Zahl sehr stark vermindert hat.
    Vorläufig brauche ich mich also gar nicht zu beunruhigen, daß und ob mir Gelegenheit geboten würde, aus Christmas-Harbour wegzukommen, selbst in dem unwahrscheinlichen Falle, daß die »Halbrane« nicht eintreffen und der Kapitän Len Guy nicht kommen sollte, seinem Freunde Atkins die Hand zu drücken.
    Tag für Tag lustwandelte ich in der Umgebung des Hafens. Die Sonne gewann allmählich an Macht. Die Felsen, Terrassen und die vulkanischen Säulenreihen legten nach und nach ihre weiße Winterkleidung ab. Am Strande unter dem basaltischen Steilufer sproßten weingelbe Moose auf und draußen auf dem Wasser schwammen und wanden sich fünfzig bis sechzig Yards lange Bänder von Algen hin. Im Hintergrunde der Bucht erhoben schon einzelne Gramineen schüchtern die grünen Spitzchen, darunter die aus den Anden stammende phanerogame Lyella neben solchen, die die Flora des Feuerlandes erzeugte, und auch der einzige Strauch des Landes, die schon erwähnte riesige Kohlart, die wegen ihrer antiskorbutischen Eigenschaften ganz besonders geschätzt wird.
    Was die Landsäugethiere betrifft – denn von Seesäugethieren wimmelte es hier – so habe ich kein einziges zu Gesicht bekommen, auch keine Batrachier oder Reptile. Nur vereinzelte Insecten, Schmetterlinge und andere, zeigten sich hin und wieder, zur Zeit aber noch ohne Flügel, und zwar deshalb, weil sie, ehe sie sich deren bedienen könnten, von den heftigen Luftströmungen auf die rollenden Wogen des Meeres verschlagen worden wären.
    Ein-oder zweimal
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