Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
wollte er nur noch weg. Die anderen mussten Macandal längst begraben haben. Sie würden unter den roten Mangroven auf ihn warten. Und er war hier noch kein winziges Stück weitergekommen.
    »Bonnie …« Jefes Stimme klang gequält.
    »Simaloi …«
    Leon hatte sich inzwischen erhoben und das Kunststück geschafft, sich in ein Laken zu hüllen und Namelok aufzuheben, ohne dass die Kleine wach wurde. Nun hielt er das Mädchen im Arm und wandte sich an seine Mutter. Bonnie wollte sich zwischen ihn und Simaloi schieben – nicht auszudenken, dass er ihr das Kind gab! Doch sowohl Leon als auch Sima überragten sie um Haupteslänge. Und Leon sprach nun einfach über ihren Kopf hinweg.
    »Mir hat erzählt Freundin von Volk Massai. Freundin, die auf gleiche Plantage wie ich. Vielleicht sogar aus gleiche Familie wie du, sind nicht viele Sklaven Massai …«
    »Ist nicht leicht zu fangen Massai!«, sagte Sima stolz. »Große Krieger …«
    »Gar nicht so große Krieger«, meinte Leon. »Mehr friedlich. Sankau immer mir hat erzählt von Leben in Dorf. Von Tanzen, von Männer, die machen große Sprünge wie Antilopen …« Er deutete einen Tanz an, und Simaloi lächelte. »Von Frauen, die bauen Häuser, von Rinder, von das nur nehmen Blut, nicht nehmen Leben. Von große Familien, von große Feste. Wenn Jungs beschnitten, werden zu Mann. Oder wenn nehmen Frau, große Fest, Frau schön geschmückt, lange Ringe in Ohr, die machen aus Knochen … Das alles so schön, Sima, nicht? Das du wollen für Namelok …«
    Simaloi nickte. Ihre Augen glänzten, als stünden Tränen darin, jetzt, da ihr jemand ihr altes Leben vor Augen führte.
    »Aber Weiße gemacht alles kaputt!«, sprach Leon weiter. Seine weiche, fast hypnotisierende Stimme schien für Simaloi zu singen. »Und nun du sie hassen. Nun du machen Krieg. Du wollen Freiheit. Das du wollen für Namelok.«
    »Und wir siegen!«, fügte Simaloi hinzu. »Wir siegen! Jetzt mir geben Kind!«
    Leon seufzte. »Wir sicher siegen. Irgendwann alle frei. Aber wann? Nicht so schnell bestimmt. Nicht jetzt, wo Geist tot. Kann dauern zwei Jahre, fünf … oder zehn. Kann sein dass sterben … Caesar?« Er nahm an, dass es sich bei dem Eindringling um Bonnies Piraten handelte, war sich jedoch nicht sicher. Aber er zeigte auf Jefe, während er sprach. »Kann auch sein, dass sterben Simaloi. Nichts sicher. Nur eins sicher: All die Zeit nicht wird sein wie bei Massai in Afrika. All die Zeit nicht aufwachen und sein glücklich und sicher in Familie mit Rinder und Ziegen und viel Land zum Wandern mit Herde. Immer nur Flucht, Simaloi. Und Angst, aufwachen mit Angst …«
    »Ich bin nicht furchtsam!«, warf Jefe ein.
    »Massai-Frauen nicht Angst!«, erklärte Simaloi.
    Aber ihr Blick war schon weicher geworden. Bonnie bemerkte fasziniert, dass sie Namelok nicht mehr betrachtete wie eine Kriegstrophäe, sondern so wie damals auf dem Sklavenmarkt. Mit einem Blick voller Liebe.
    »Dann Hass«, sagte Leon, »aufwachen mit Hass. Kannst du erinnern, Simaloi aufwachen ohne Hass?«
    Simaloi senkte den Kopf. »Wenn ich Namelok lassen hier, nicht wird sein Massai«, flüsterte sie.
    »Sie wird auch in eurem Lager keine Massai sein.« Bonnie hob die Stimme, aber Leon gebot ihr zu schweigen.
    »Ich ihr werde erzählen von Massai«, beteuerte er, »werde singen Lied für sie.«
    Er wiegte Namelok, während er sang, etwas unsicher nach Worten suchend, aber es war das gleiche Lied, das Simaloi damals im Haus des Sklavenhändlers gesungen hatte. Ein leises Schluchzen unterbrach das Lied. Und gleich darauf wurde die stolze Massai-Frau vom Weinen geschüttelt. Bonnie sah Jefe auffordernd an, und er nahm Sima in die Arme. Ihr Ausbruch verblüffte ihn, es war das erste Mal, dass er die große Schwarze weinen sah.
    Leon sprach erneut auf sie ein. »Und auf Plantage ich suche Sankau, mein Freundin, andere Massai. Sie kann erzählen mehr. Wird sich freuen. Auch hat Tochter …«
    Bonnie wusste, das Leons Freundin Sankau und ihr Kind verkauft worden waren, lange bevor Leon mit Victor nach Cap-Français gekommen war. Aber das war jetzt nicht wichtig. Die andere Massai-Frau passte in das Märchen, das Leon für Simaloi spann. Er sprach vom gemeinsamen Aufwachsen der kleinen Mädchen, von Liedern, von Tänzen und Geschichten.
    »Lassen Namelok aufwachen ohne Hass!«, endete er schließlich beschwörend.
    »Vielleicht können wir sie ja auch mal besuchen«, sagte Jefe unsicher.
    Bonnie wollte erneut auffahren, doch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher