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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Autoren: C.H.Beck
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ins Abstruse verzerrte Beschreibung des Lehrgebäudes der Katharer findet sich fast völlig identisch, wenn auch von der konkreten Aussage in Köln losgelöst, in der Kreuzzugsbulle
Vox in Rama
des Papstes Gregor IX. an seinen Vertrauten, den Inquisitor Konrad von Marburg im Juni 1233. Es ist zu vermuten,daß der Text des päpstlichen Schreibens auf Informationen Konrads selbst zurückgeht, ja daß der Kölner Fall von Konrad oder einem seiner Vertrauten untersucht worden war. Jedenfalls stammen die Imaginationen der Ketzerzusammenkünfte als antichristliche, dämonische Gegen-Messe unmittelbar aus dem Entstehungskontext der Inquisition. Das bedeutet nicht, daß sie hier gleichsam geboren wurden, denn sie nähren sich von einem schon lange bestehenden Traditionskontext. Bereits in den frühen römischen antichristlichen Polemiken ist, wie wir durch die christlichen Apologetiker Justinus Martyr, Tertullian und Minucius Felix wissen, von Kindermord, Blutritual und Blutschande die Rede. Auch gegenüber Juden und paganen Geheimkulten wurde Greuelpropaganda über Menschenopfer und Verschwörungen formuliert. Die frühchristliche Kirche kehrte diese Vorwürfe dann gegen Ketzer und religiöse Konkurrenten, wie z.B. der um 400 verfaßte Ketzerkatalog des Epiphanios von Salamis mit detailreichen Schilderungen über die Orgien der Gnostiker beweist. Und auch im Bericht über die ersten genuin mittelalterlichen Ketzer, diejenigen von Orléans 1022, tauchen die Motive der schwarzen Messe, der Promiskuität, der Ermordung und rituellen Verspeisung von Kindern auf. Sie sollten fortan zu den gängigen Stereotypen der Ketzerpolemik im Spätmittelalter gehören und waren von hoher Suggestivkraft – übrigens bis in die moderne Geschichtsforschung hinein, wo sich lange die Vorstellung hielt, es habe tatsächlich ketzerische Luziferaner gegeben, die den Teufel anbeteten.
    Wurden also die – durchaus existierenden – Ketzergruppen immer wieder als Gefolgsleute des Teufels verunglimpft, so konnte auf der anderen Seite auch die Praktizierung von Magie als Teufelsdienst verstanden werden. Bereits Augustinus hatte in magischen Ritualen eine Sprache zur Verständigung mit den Dämonen gesehen. Im Zeitalter der Ketzerverfolgung bedurfte es nur eines kleinen Interpretationsschrittes, um die individuellen Teufelsdiener als Mitglieder einer teuflisch-inspirierten Gemeinschaft zu entlarven. So wurde aus den geheimen Ketzerzusammenkünften der Hexensabbat. Um 1475 berichtet Mathias Widmann von Kemnath über die
secta Gazariorum
, die Unholde,die bei Nacht führen und sich zu geheimen Versammlungen träfen. Seine Schilderungen von den «Synagogen» erinnern stark an diejenigen über Lepzet. Der Teufel erscheine in Gestalt einer schwarzen Katze oder eines Bockes. Der Initiand müsse ihn auf den Hintern küssen und der Kirche absagen. Danach verspeise man gebratene Kinder, lösche das Licht und vermische sich fleischlich auf widernatürliche Art und Weise. Aus den Ketzern sind Zauberer geworden, die mit vom Teufel überreichten Salben und Pulvern Tod und Verderben bringen.
    Die Inquisition und die Geburt der Hexe: Intensive Forschungen der letzten Jahre haben Geburtsort und -zeit des Hexereideliktes relativ präzise bestimmen können. Die Hexereivorstellung entstand im Westalpengebiet, in den Landschaften des Dauphiné, des Piemont, Savoyens und der Westschweiz. Die entscheidende Transformationsphase von der Ketzerei- zur Hexereivorstellung durchlief diese Region etwa in den Jahren von 1430 bis 1440. Zuvor scheint man sehr wohl noch zwischen Ketzer- und Zaubereidelikt unterschieden zu haben. Die Begriffe
Vauderie
bzw.
Vaudoisie
standen noch als Synonym für ‹Waldensertum› bzw. für ‹Häresie› schlechthin. Ein großer Waldenserprozeß, der im Jahr 1430 in Freiburg im Üchtland geführt wurde, offenbarte zwar die üblichen Teufelsdiener-Vorwürfe gegen diese Ketzergruppe, von Zauberei findet sich aber selbst angesichts der Tatsache kein Wort, daß eine Waldenserin zugleich als Zauberin berüchtigt war. Rund 10 Jahre später initiiert der Dominikanerinquisitor Uldry de Torrenté rund um den Genfer See einen großangelegten Inquisitionsprozeß, der alle später so typischen Züge eines Hexenprozesses trägt. Die bereits zuvor erwähnte Frau wird im Zuge dieses Prozesses wiederum angeklagt und als Hexe hingerichtet. Schnell wird nun unter dem Begriff «Vauderie» schlicht «Hexerei» verstanden.
    Nicht nur die kirchliche Inquisition ging
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