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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Autoren: C.H.Beck
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Sant’Uffizio
residieren – mit den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inquisitionen hat die Glaubenskongregation kaum noch etwas gemein.

VI. Inquisition und Hexenverfolgung
    Hexenverfolgung und Inquisition sind im kollektiven Gedächtnis der Gegenwart fast unauflöslich verknüpft. Es gilt als selbstverständlich, daß die massenhafte Verfolgung von angeblichenHexen vornehmlich auf das Konto kirchlicher Inquisitoren ging, und auch neueste Gesamtdarstellungen der Inquisition illustrieren ihren Text mit detaillierten Schilderungen von grauenhaften Szenen aus den Folterkellern von Inquisitionsgerichten, die versuchten, alten Frauen Geständnisse über ihren Pakt mit dem Teufel zu entreißen. Diese Verknüpfung von kirchlicher Inquisition und Hexenverfolgung ist jedoch irreführend: Die weit überwiegende Masse der Hexenprozesse im Europa des 15. bis 18. Jahrhunderts wurde vor weltlichen Gerichten verhandelt, in protestantischen ebenso wie in katholischen Ländern. Es ist zwar richtig, daß das juristische Instrument des Inquisitionsprozesses mit seinem Prozeßinstrument der Tortur der Hexenjagd auf verhängnisvolle Weise Vorschub leistete, aber dieses Instrument wurde eben von allen Kriminalgerichten gehandhabt. Diese nüchternen Vorbemerkungen machen eine genauere Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen Hexenverfolgung und kirchlicher Inquisition nicht überflüssig. Bereits im Mittelalter hatte die Inquisition ja durchaus die Rechtsprechung über populäre Magie, über Wahrsagerei, Segenssprechen und Schatzgraben beansprucht, soweit sie ketzerische Aspekte aufwies – ein durchaus dehnbares Kriterium. Hexerei aber war ein besonders schwerwiegendes und komplexes Delikt, das erst im 15. Jahrhundert erfunden wurde. Die Inquisition war daran nicht unbeteiligt.
    In den «Sammelbegriff» (Hansen) der Hexerei gingen viele heterogene Elemente ein: Einer/m Hexe(r) wurde vorgeworfen, mit Schadenszauber (
maleficium
) Mensch und Tier zu schädigen, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und sich mit diesem fleischlich vermischt zu haben sowie sich mit anderen Anhängern des Satans zu nächtlichen Versammlungen, den berüchtigten Hexensabbaten, zu treffen und antichristlichen Riten zu frönen, wobei sie auf dem Besen oder auf Ziegenböcken reitend dorthin flogen. Alle diese Elemente haben eine lange, zum Teil ins Frühmittelalter oder gar in die Antike zurückreichende Geschichte. Der Vorwurf etwa, Menschen, Tiere und Besitztümer mit magischen Mitteln zu schädigen, war seit jeher in den Strafrechtskatalogen als schweres Verbrechen verankert. Dabei handelte essich um ein weltliches Kriminaldelikt; ob jemand sich z.B. bei einem Mordanschlag eines Messers oder eines magischen Fluches bediente, machte für die Zeitgenossen keinen entscheidenden Unterschied. Noch die Carolina, die Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, bedroht allein den nachgewiesenen Schadenszauber mit dem Tod, nicht die Hexerei an sich. In den Hochphasen der Verfolgung glaubten jedoch viele Juristen, auf den konkreten Schadensnachweis verzichten zu können, und stellten das Bündnis mit dem Satan an sich unter Todesstrafe.
    Ketzer und Hexen als Teufelsbündner: Seit jeher sahen die Theologen im Teufel den Bündnispartner der Zauberer. Erst durch ihn wurden die Magier zu ihrem schädlichen Tun ermächtigt. Lange Zeit wurde dieser Pakt eher als eine gleichsam individuelle Angelegenheit zwischen Mensch und Dämon gedacht. Erst die Vorstellung von den Teufelsbündnern als einer Gemeinschaft, einer antichristlichen Sekte, provozierte kollektive Ängste vor einer Erschütterung der Grundfeste des Christentums. Für eine solche Schreckensvorstellung gab es in der christlichen Tradition viele Anknüpfungspunkte, und hier kommen wir wieder auf den Kernbereich der Ketzerverfolgung. Denn auch die Häretiker galten den Vertretern der Orthodoxie als Gefolgschaft des Satans. Ein Schlüsseldokument in dieser Hinsicht bilden die Aussagen eines Ketzers namens Lepzet, der 1233 in Köln verhört wurde. Mit den Hinterbacken, so heißt es da über das angebliche Aufnahmeritual der Ketzer, müsse der Initiand zunächst dreimal den Altar der Heiligen berühren und dabei den kirchlichen Sakramenten widersagen. Es folgten u.a. Küsse auf die Hinterteile des Ketzermeisters, eines schwarzen Mannes mit bleichem Angesicht, einer riesigen Kröte und eines schwarzen Katers. Schließlich werde das Licht gelöscht und sodomitischer Mißbrauch miteinander getrieben.
    Diese
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