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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Autoren: C.H.Beck
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erlangen. Trotzdem erlitt er im Herbst 1485 in der Diözese Brixen mit seiner Hexeninquisition Schiffbruch (vgl. Kap. III.4). Daraufhin schrieb er in kurzer Zeit den berühmten
Hexenhammer
(
Malleus Maleficarum
). Wie viele erfolgreiche Traktate kann auch dieseSchrift kaum für sich beanspruchen, originell zu sein – sie war kaum mehr als eine Kompilation aus verschiedenen Quellen, u.a. aus dem Inquisitionshandbuch des Eymerich. Sehr eigen jedoch fiel Institoris’ Urteil über die Zuständigkeit in Hexereisachen aus: Obwohl für dieses
crimen mixtum
prinzipiell beide Foren zuständig seien, handele es sich doch eher um eine Angelegenheit der weltlichen als der kirchlichen Gerichte. Hintergrund für diese merkwürdige Selbstbescheidung: Vor Kirchengerichten hatten reuige Sünder Anspruch auf Vergebung und Buße bzw. mildere Bestrafung, die weltliche Justiz dagegen konnte sie wegen Zauberei direkt zum Tode verurteilen. Die praktischen Folgen dieser Differenz waren gravierend. Im nördlichen Europa und insbesondere im Alten Reich, dem Kerngebiet der Verfolgung, wo die Prozesse fast ausschließlich unter der Ägide weltlicher Gerichte der Territorien, Städte und Patrimonialherrschaften stattfanden, kostete der Hexenglaube Zehntausende von Menschen das Leben; allein in Deutschland waren es vielleicht 25.000. Im Mittelmeerraum dagegen agierten die Inquisitionen zurückhaltender. Nicht ohne Grund konstatierte ein Inquisitor in Cremona 1614, die vom dortigen Tribunal als Apostaten gestraften Hexen könnten von Glück sagen – von weltlichen Richtern wären sie zweifellos zum Tode verurteilt worden.
    Zurückhaltung der neuzeitlichen Inquisitionen: Auf der Iberischen Halbinsel verhandelten weltliche Gerichte ebenso wie die Inquisitionstribunale gegen Hexen. Der Schwerpunkt lag dabei im nördlichen Pyrenäengebiet. Zu ersten Verurteilungen kam es 1498 vor dem Tribunal von Saragossa. 1525 wurde innerhalb der Inquisition sehr kontrovers über die Frage gestritten, ob die Hexen tatsächlich nachts im eigenen Körper die Ausfahrt auf den Sabbat unternähmen oder ob es sich um teuflische Vorspiegelungen handelte. Die
Suprema
zeigte sich in der Frage gespalten, legte aber in der Folge vergleichsweise rigide Verfahrensweisen fest: Niemand solle allein auf die Aussage anderer Hexen hin verhaftet werden; die
Suprema
müsse über alle Zweifelsfälle und über die Rückfälligen informiert werden; alle Urteile müßten einstimmig gefällt werden; niemandem, der Hexerei freiwilliggestand, dürfe sein Besitz konfisziert werden. Ein Schwerpunkt der Bestimmungen der Kommission lag überdies auf Predigt, Seelsorge und Umerziehung der angeblichen Hexen.
    Nicht immer wurde in den folgenden Jahrzehnten diese vorsichtige Linie von den lokalen Inquisitoren beachtet. Wie bereits 1549 in Barcelona, sah sich die
Suprema
auch am Beginn des 17. Jahrhunderts genötigt, in der Provinz zu intervenieren. Zunächst hatte sie die großangelegten Untersuchungen des Inquisitionstribunals von Logroño in den Gebirgstälern von Navarra gebilligt, wo eine regelrechte Hexenpanik ausgebrochen war. Sie bestätigte sogar die ersten Urteile, nach denen im November 1610 sechs angebliche Hexen in Person, fünf weitere in effigie verbrannt wurden. Als eine Ausweitung der Prozesse drohte, schwenkte sie um und beauftragte den jungen Inquisitor Alonso de Salazar Frias, der bereits früher gegen das Vorgehen seiner Kollegen opponiert hatte, mit einer Untersuchung. Mit dem Gnadenedikt in der Tasche besuchte er zwischen Mai 1611 und Januar 1612 die abgelegenen Gebirgsregionen. Seine Bilanz über die Qualität der umlaufenden Gerüchte und Verdächtigungen war niederschmetternd. Nicht den geringsten Beweis habe er gefunden, daß irgendeine Hexereihandlung tatsächlich vorgekommen sei. Die Geständnisse der Angeklagten reichten für sich genommen, ohne andere Beweise, keinesfalls hin, um auch nur Verhaftungen vornehmen zu lassen. Sie seien überwiegend völlig falsch. Nicht zuletzt aufgrund dieses Berichtes bekräftigte die
Suprema
im August 1614 ihre Skepsis gegenüber Hexenprozessen und rehabilitierte sogar die im Jahr 1610 Verurteilten. Die Verfolgungen in Navarra wurden durch ein Edikt des Schweigens beendet, die Verbreitung von Hexereigerüchten wurde künftig unter Strafe gestellt. Faktisch wurde mit dieser Episode das Ende der Hexenprozesse vor den Tribunalen der Spanischen Inquisition eingeläutet – nicht aber vor denen der weltlichen spanischen Gerichte, die
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