Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
waren: Tyrannische Herrschaft und Grausamkeit, religiöse Unduldsamkeit und wissenschaftliche Rückständigkeit paarten sich diesen Klischees zufolge mit landestypischer Faulheit und Dekadenz. Neben der Ermordung und Versklavung der Einwohner in der Neuen Welt, für die der Bericht über die Verwüstung der Westindischen Länder des Dominikaners Bartholomé de Las Casas Kronzeugenstatus erlangte, stellte die Inquisition das wohl wichtigste Exempel der Schwarzen Legende dar. Umgekehrt wäre der Inquisitionsmythos vielleicht nie derart aufgeblüht, wenn er sich nicht im Kontext des allgemeinen Spanienbildes entfaltet hätte. Unter Karl V. und vor allem unter Philipp II. war das habsburgische Spanien die unbestrittene, aber auch eben die ungeliebte europäische Vormacht, die – gestützt auf überseeisches Edelmetall – ihre Herrschaft in zahlreichen Regionen aufrichtete und ausbaute.
    Da war zunächst Italien, wo der spanische bzw. aragonesische Einfluß bereits im 15. Jahrhundert spürbar war. Bereits König Ferdinand hatte das Königreich Sizilien und ab 1504 auch das Königreich Neapel beherrscht, dann kam unter Karl V. noch das Herzogtum von Mailand hinzu. Als Vormacht auf der Apenninenhalbinsel führten spanische Truppen lange Feldzüge sowohl gegen die Franzosen als auch gegen die italienischen Klein- und Mittelmächte. Der
Sacco di Roma
, die Verwüstung der Metropole durch marodierende habsburgische Soldaten im Jahr 1527, trug wesentlich zur kollektiven Traumatisierung und Zementierung der Vorurteile gegenüber der spanischen Fremdherrschaft bei. Bereits 1509/10 leisteten die neapolitanischen Untertanen König Ferdinands erfolgreichen Widerstand gegen die Etablierung der Spanischen Inquisition im Süden der Apenninhalbinsel, und auch 1547 kam es dort aufgrund des Gerüchts,die Inquisition solle nach spanischem Vorbild neu geordnet werden, zu Unruhen.
    Prominente Rollen bei der Entwicklung und Verbreitung der Schwarzen Legende spielten Frankreich, der Hauptgegner der Habsburger auf der italienischen Halbinsel, und natürlich England, das zwischen 1555 und 1558 die Erfahrung einer blutigen Rekatholisierungspolitik machte und in der Folge in einen Dauerkonflikt mit Spanien geriet. Hauptbrutstätte der
leyendra negra
aber waren die Niederlande und ihr Freiheitskampf gegen die Habsburgische Herrschaft, der in Ländern wie England und Deutschland mit Sympathien begleitet wurde. Hier wurde die Inquisition spätestens seit 1566 zu einem negativ besetzten Symbol für die spanische Fremdherrschaft schlechthin. Die Zentralmacht hatte zur Bekämpfung der calvinistischen Häretier einige Elemente der alten päpstlichen bzw. bischöflichen Inquisition reaktiviert. Trotz des traditionellen Charakters dieser Inquisition und ihrer beschränkten Durchschlagskraft sahen Provinzialstände und Städte ihre alten Rechte und den politischen Frieden bedroht. Die scharfen Ketzergesetze König Philipps II. und eine tiefgreifende Diözesanreform ließen eine gelegentliche und regional begrenzte Unzufriedenheit in einen landesweiten Protest umschlagen. Bereits der im Januar 1566 von einigen Hundert Noblen unterschriebene sogenannte Adelskompromiß wandte sich explizit gegen die Inquisition. Diese sei gegen alle göttliche und weltliche Ordnung, beleidige den göttlichen Namen und bedeute den Ruin der Niederlande. Alles alte Herkommen, alle Privilegien, alle Freiheiten würden zerstört, die Bewohner dieses Landes auf immer zu Sklaven der nichtswürdigen Inquisitoren. Damit war ein Grundton angeschlagen, der in den folgenden Jahren häufig variiert werden sollte. Das Schreckensregiment des spanischen Statthalters, des Herzogs von Alba, ab 1567, dessen Sondergericht («Blutrat») den Besitz von 9000 Personen konfiszierte und ca. 1100 Todesurteile vollstrecken ließ, heizte die antispanische Stimmung weiter an und damit auch die Anklagen gegen die Spanische Inquisition, obwohl sie mit den Hochverratsprozessen nichts zu tun hatte. Bald kursierte ein angebliches Dekret der Spanischen Inquisition,datiert auf den 16. Februar 1568 und bestätigt von König Philipp II., in dem die gesamte Bevölkerung der Niederlande mit wenigen Ausnahmen wegen Hochverrates aller Rechte an Leben und Besitz für verlustig erklärt wurde – erst im letzten Jahrhundert wurde es als eine propagandistische Fälschung entlarvt. So verwundert es nicht, wenn es im Kriegszielkatalog von Wilhelm von Oranien, dem Führer der niederländischen Freiheitsbewegung,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher