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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln
Autoren: Ross Thomas
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Biskuit-Brötchen, doppeldicken, extramageren Speck und die zerschnittenen Tomaten, die kleine Goldaufkleber getragen hatten mit der Behauptung, sie seien organisch gezüchtet.
    Sie aßen in einer Küche, die zwar nicht groß war, aber in der buchstäblich alle Apparate standen, die ein kleines feines Restaurant brauchen würde. Sie aßen an einem alten Holztisch, Veteran von mindestens 25 000 Frühstücken, nachgewiesen durch Flecken, Narben und bröckelnde gelbe Farbe. Sie aßen größtenteils stumm, bis Jessica Carver die letzte Scheibe Bacon nahm, die sie möglicherweise als Dessert aufgehoben hatte, sie aß und sagte: »Millie hat schon als Kind an dem Tisch gefrühstückt und mit sechzehn oder siebzehn beschlossen, den Rest ihres Lebens weiter daran zu frühstücken. Ma kann ganz schön schräg sein.«
    »Sie ist in Bonham geboren, stimmt’s?«
    »Hat sie Ihnen das erzählt?«
    »Nein.«
    »Wie können Sie das dann wissen?«
    »Genauso, wie ich wetten würde, daß sie mit acht oder neun nach Dallas gezogen ist.«
    »Na ja, das könnten Sie geraten haben; von dem, was ich über Harry und seine Stinson gesagt hab.«
    »Ich bin bloß gut bei amerikanischen Akzenten«, sagte Partain. »Der von Ihrer Mutter kommt und geht inzwischen, ist aber hübsch. Wenn man den Red River weiter nach Osten geht, klingt dagegen bald alles wie Perot.«
    »Das kann zu Nervenschäden führen.« Carver musterte ihn einige Momente neugierig, fragte dann: »Sie reisen viel? Studieren Sie deshalb Akzente?«
    »Ich war lange bei der Army, und das war ein Hobby.« »Wie lange?«
    »Neunzehn Jahre.«
    »Als was sind Sie ausgeschieden?«
    »Major.«
    »West Point? Offiziersschule? Nationalgarde? Trainingscorps der Reserve?«
    Partain schüttelte den Kopf. »Ich war in Vietnam bei einer Fernaufklärungseinheit, die ausradiert worden ist, bis auf mich und zwei andere – beides Kurzzeitleute. Die Army hat einen Anfall von Panik gekriegt und gemeint, sie brauchten dringend einen erfahrenen Second Lieutenant, um den Zug wieder aufzubauen – bloß gab’s keine erfahrenen Second Lieutenants. Die gibt’s ja nie. Deshalb haben sie mich über Nacht dazu befördert.«
    »Wo haben Sie Ihr feines Spanisch gelernt?«
    »Von meiner Mutter. Woher stammt Ihr Mexikanisch?«
    »Größtenteils von einem Arschloch, mit dem ich ein Jahr in Guadalajara gelebt hab.«
    »War aber kein mexikanisches Arschloch.«
    »Schlimmer«, sagte sie. »Ein amerikanisches.«

4. Kapitel
    Der Colonel und der Major General trafen sich um Mitternacht in Zimmer 517 des Mayflower Hotels in Washington. Sie trafen sich in einem Zimmer, das auf Jerome Able eingetragen war, Colonel Ralph Millweds gelegentlichen nom-de-guerre , den er mit einem gefälschten Führerschein aus Virginia, einer echten Visa-Karte und einer falschen Sozialversicherungsnummer belegen konnte.
    Wenn weitergehende Identifizierung verlangt wurde – fast nie bei normalen geschäftlichen Transaktionen –, überlegte es sich der Colonel einfach anders und ging. Nahezu alle Hotels, Motels und Autovermietungen akzeptierten bereitwillig die Visa-Karte. Sobald die Frage der Zimmer oder Wagen geklärt war, bezahlte der Colonel sie mit Bargeld, diskret aus dem 3000-$- Päckchen (in 50- und 100-$-Scheinen) gezupft, das er immer bei sich trug.
    Der 3000-$-Wulst wurde aufgefüllt aus einem permanenten Barvorrat von 100 000 $ in der Depot-Box des pseudonymen Jerome Able bei der K-Street-Filiale von Riggs National Bank. Sooft der Vorrat ergänzt werden mußte, wurde ein dicker, brauner, wachsversiegelter Umschlag mit gebrauchten Hundertern und Fünfzigern dem Colonel zugestellt, in seinem Apartment Wisconsin Avenue knapp südlich der National Cathedral. Zusteller war immer der gleiche mürrische Taxifahrer, der selten redete und nie eine Quittung verlangte.
    Auf den ersten Blick schien der 49jährige Major General, Walker L. Hudson, völlig kahl zu sein. Nähere Inspektion enthüllte jedoch einen dünnen graublonden Stoppelstreifen, der vor und über einem Ohr begann, sich zum Hinterkopf hinab und über den Nacken ausbreitete, dann wieder hoch zum anderen Ohr und darüber stieg.
    DerGeneral war groß und hager, fast dürr, mit keilförmigem Kopf und seltsam kleinem dünnen Mund, der nach jeder Äußerung zu einem kurzen gehässigen Strich einschnappte. An den meterlangen Armen hingen riesige Hände, denen es gelang, selbst dann rastlos zu wirken, wenn sie entspannt waren. Der General saß ruhig auf dem einzigen bequemen
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