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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln
Autoren: Ross Thomas
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bis er zu dem Apartmentgebäude kam, das entweder den Namen eines gescheiterten britischen Premiers oder den des ersten Gartens der Welt trug.
    Das Eden bestand aus 25 Etagen mit Eigentumswohnungen auf der Südseite des Wilshire, um die zwölf Blocks östlich der University of California. Es hatte getönte Scheiben und eine hellbraune Stukkaturfassade, deren Farbe ganz präzise Jennifer hieß, nach der späten Augustbräune einer 19jährigen Schönheit, die der Architekt einmal am Broad Beach von Malibu kennengelernt hatte.
    Um 19.56 Uhr bog Partain über die Gegenfahrbahn links ab in eine geschwungene Auffahrt und hielt vor dem Eingang des Eden. Ein uniformierter Türhüter erschien auf der Fahrerseite, öffnete die Tür und sagte: »Lassen Sie einfach den Schlüssel stecken, Mr. Partain; ich kümmere mich um den Wagen.«
    Partain dankte ihm, griff nach der Kaffernbüffeltasche und stieg aus. Der Türhüter gab ihm einen elektronischen Türschlüssel in Form einer Plastikkarte mit Löchern.
    »Das bringt Sie durch die Haustür und in Nummer fünfzehnvierzig, die Wohnung von Ms. Altford«, sagte er. »Wenn Sie den Wagen wieder brauchen, drücken Sie einfach das Sternchen an Ihrem Telefon und fragen Sie nach Jack.«
    »Sie sind Jack?«
    »Ich bin Jack.«
     
    Die elektronische Schließkarte funktionierte glatt, und die Tür von Nr. 1540 öffnete sich zu einer kleinen Diele, gerade groß genug für ein Wandtischchen aus knotiger Ulme, das die Post, die Schlüsselund sogar eine lange Einkaufsliste tragen konnte. Es blieb noch Platz für einen Beistellstuhl mit leierförmiger Lehne, der aussah, als ob niemand je darauf gesessen hätte.
    Den großen Spiegel über dem Tisch umgab ein vergoldeter Zierrahmen, und Spiegel und Rahmen sah man ihr Alter an, das Partain auf mindestens zweihundert Jahre schätzte. Eine Tür gegenüber dem Spiegel führte vermutlich zu einem Garderobenschrank. Der Dielenboden war bedeckt von großen schwarzen und weißen Vierecken; seine Lederabsätze teilten ihm mit, daß es sich um Marmor handelte.
    Noch ein paar Schritte, und er stand in einem riesigen Wohnraum, der einen Steinway-Stutzflügel aufzuweisen hatte und eine richtige Bar mit vielen Flaschen und sechs Hockern, die bequem aussahen. Es gab mehr als genug Sofas und Sessel, einige mit Leder, einige mit Stoff bezogen. Es gab auch reichlich, vielleicht sogar zu viele Tische und Lampen. Der Boden, Eichenparkett, war teilweise verborgen unter ältlichen Teppichen, gewoben in Ländern, die damals Persien und Mesopotamien geheißen hatten. An den Wänden hingen einige große Bilder, lauter gegenständliche Ölgemälde von Malern, deren Namen Partain, wie er fand, kennen müßte, die ihm aber nicht einfielen.
    Jenseits von alldem war die Wand aus Glas mit Blick nach Westen auf die Lichter von Westwood, Brentwood und Santa Monica und dahinter auf die Schwärze des Ozeans. Partain befand, es sei ein Raum, in dem man für $ 1000 ein Glas Wein, ein oder zwei Garnelen und die Gelegenheit kriegen konnte, mit jemandem zu plaudern, der Bürgermeister, Kongreßabgeordneter, Senator, Gouverneur werden wollte – vielleicht sogar Präsident.
    Partain, der seit 1972 bei keiner Präsidentschaftswahl die Briefwahl versäumt hatte, fragte sich eben, ob er je wieder wählenwürde, als die Frauenstimme hinter ihm sagte: »Keine Bewegung, sonst schieße ich.«
    Partain ignorierte die Drohung und wirbelte gegen den Uhrzeigersinn herum, den rechten Arm ausgestreckt, um der alten Kaffernbüffeltasche mehr Wucht zu geben. Er ließ los und sah, wie sie den Bauch der Frau rammte. Nach einem explosiven Uff taumelte sie rückwärts in einen Sessel, hielt sich dabei irgendwie an der Tasche fest.
    Nach sechs oder sieben tiefen Atemzügen, wobei sie ihn die ganze Zeit angestarrt hatte, grinste sie und sagte: »Ich hätte Sie erschossen, wenn ich eine Waffe gehabt hätte.«
    »So blöd sehen Sie nicht aus.«
    Sie ignorierte ihn, nahm die Tasche vom Schoß, ächzte über das Gewicht und ließ sie mit einem Klank auf den Boden plumpsen. »Jesses, was ist denn da drin – das Einbruchswerkzeug?«
    »Vor allem Bücher und Whiskey.«
    »Sie sind nicht der Einbrecher vom Dienst?«
    »Nein. Sie?«
    »Ich bin Jessica Carver.«
    »Die frühere Jessica Altford.«
    »Falsch. Ich war von Anfang an Jessica Carver, auch wenn ich ihr ähnlich sehe. Meiner Mutter.«
    »Sie haben Glück, daß Sie ihr ähnlich sehen.«
    »Hab ich das?« sagte sie, stand auf und ging hinter die Bar, mixte für
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