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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln
Autoren: Ross Thomas
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Schärfe, Welten entfernt von den obsoleten deutschen Soziokrimis mit ihrer Larmoyanz und ihrem permanent erigierten moralischen Zeigefinger.
    Es hieß, Ross Thomas sei Amerikas Antwort auf Len Deighton und John Le Carré und witziger als beide. Vor allem ister frei von Le Carrés Old-boy-Sentimentalität. Die finale Rührseligkeit von abgebrühten Agenten wie Leamas oder Westerby, die sich lieber erschießen lassen als mit Enttäuschungen zu überleben, findet sich bei Ross Thomas’ Protagonisten nicht. McCorkle und Padillo überleben im finsteren Spiel der Geheimdienste ( The Cold War Swap ), weil sie sehr früh davon ausgehen, daß die eigene Seite sie hemmungslos verschaukeln wird. Ob organisiertes Verbrechen ( The Singapore Wink ), Finanzwelt ( The Money Harvest ), Gewerkschaften ( The Porkchop pers ), Senatoren ( If You Can’t Be Good ), Staatschefs ( The Mordi da Man ) oder Polizei, Militär und Geheimdienste, alle Apparate sind gleich mörderisch.
    Der Originaltitel dieses Romans – Ah, Treachery! – spielt an auf O’Neills Stück Ah, Wilderness . Verrat, Verräterei, Hintergehen, Niedertracht, Heimtücke, verbunden mit ah oder oh, klingen auf Deutsch allesamt unbeholfen, und das zitierte Stück ist nicht eben geläufig. Der noch zu Ross Thomas’ Lebzeiten und mit seinem Einverständnis gewählte deutsche Titel mit dem Mackie-Messer-Verweis ist eine hoffentlich akzeptable Notlösung; allerdings fehlen nun Verräterei und assoziierte Wildnis, Handlungsprinzip und Schauplatz: der Dschungel, in dem nahezu jeder jeden jederzeit hintergeht. Am Schluß überleben jene unter den Verratenen, die den Verrat besser beherrschen als die Verräter.
    Der Plot des Romans ist nicht so kompliziert und vielschichtig wie etwa der von Out on the Rim , wo bis zum Schluß völlig unklar bleibt, wer schließlich wen auf welche Weise aufs Kreuz legen wird, aber auch ein für Ross Thomas einfacher Plot ist komplexer als fast alles, was die Mystery-Gilde sonst bietet. Nun kann der beste Plot nur funktionieren, wenn die Zutaten stimmen, und hier zeigt sich, welch großer Autor Ross Thomas ist. Der erste Satz genügt, um mitten in die Geschichte zu kommen. Keine langen Darlegungen eines allwissenden Erzählers, sondern die Personen selbst und ihre oft bissigen Dialoge liefern die Vorgeschichte. Die Psychologie der Charaktere ist stimmig bis hin zu ihren Macken, den (nicht immer genau übersetzbaren) Sprecheigentümlichkeiten und Wahrnehmungen: Daß Winfield Stufen zählt und die Höhe eines Gartentörchens schätzt, paßt zu seinem Umgang mit Kleingeld, seiner pedantischen Akkuratesse und der manchmal überkorrekten Sprache. Die eisige Selbstverständlichkeit, mit der Zustände und Vorgänge registriert werden (Detective Knox, dessen feine Klamotten nicht allein von seinem Gehalt bezahlt worden sein können; die Geldbeschaffung für Politiker; die in El Salvador angerichteten Dinge), ist viel überzeugender und beredter, als dies jeder Versuch eines »sozial relevanten« Klagelieds wäre. Neben den menschlichen bzw. zwischenmenschlichen Details tragen viele feine Zynismen zur Perfektion des Buchs bei – die präsumptive Sauberkeit der neuen Regierung führt zum Versuch, den alten Dreck mit Macht und Mord zuzudecken; Partains Verzicht auf ultimate Gewaltanwendung ist eigentlich sadistischer als die vorhergegangenen Gewalttaten ... Oder die beiläufige Gehässigkeit, mit der political correctness karikiert wird: Da die bloße Erwähnung von Geschlechtsunterschieden schon als sexistisch gilt, darf man nicht mehr stewardess sagen; brav schreibt Ross Thomas flight attendant , um dann politisch inkorrekt Aussehen und Alter anzugeben: » ... was a handsome fifty .« Daß die korrekt geschlechtslose Flugbegleitung im Deutschen dann zu Flugbegleiter bzw. Flugbegleiterin wurde, ist allenfalls ein mattes Lächeln wert.
    Ross Thomas war einer der technisch brillantesten und intellektuell schärfsten Autoren der US-Literatur – wenn wir uns, gegen das deutsche Feuilletonwesen, darauf verständigen, daß Schreibhandwerk nicht aus möglichst sklavischer Imitation des Stilsvon Thomas Mann o. ä. zu bestehen hat (Lichtenberg: »Was auf Shakespearisch in der Welt zu erledigen war, hat Shakespeare größtenteils erledigt«), sondern aus einer Annäherung an den Kern dessen, was Sainte-Beuve über Madame Bovary schrieb: »Ein komponiertes, durchdachtes Werk, in dem der Autor jederzeit nur das getan hat, was er tun wollte.« Der ›Boston Globe‹
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