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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Autoren: Dan Simmons
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weder die Muskeln noch den Körperbau, daß ich behaupten konnte, ich würde von einer Welt mit hoher Schwerkraft stammen, daher war ich für alle Welt lediglich klein. (Ich berichte die obigen Gedanken in den Einheiten, in denen ich denke ... von allen mentalen Veränderungen seit meiner Wiedergeburt im Netz ist das metrische Denken das schwerste. Manchmal weigere ich mich, es auch nur zu versuchen.)
    »Warum ist der Krieg notwendig?« fragte ich Hermund Philomel, Dianas Mann.
    »Weil sie es, verdammt noch mal, so gewollt haben«, knurrte der große Mann. Er mahlte mit den Backenzähnen und zuckte mit den Wangenmuskeln. Er hatte fast keinen Hals und einen subkutanen Bart, der sich offensichtlich Rasierklinge, Elektrorasierer und Enthaarungscreme widersetzte. Seine Hände waren fast doppelt so groß wie meine und viel, viel kräftiger.
    »Ich verstehe«, sagte ich.
    »Die gottverdammten Ousters haben es, verdammt noch mal, nicht anders gewollt«, wiederholte er und wiederholte den Kernsatz seiner Ausführungen für mich. »Sie haben uns auf Bressia die Stirn geboten, und jetzt bieten sie uns die Stirn auf ... in – wie heißt es? – ...«
    »Hyperion-System«, sagte seine Frau, die den Blick nicht von mir ließ.
    »Ja«, sagte ihr Herr und Gemahl. »Hyperion-System. Sie haben uns die Stirn geboten, und jetzt gehen wir da raus und zeigen ihnen, daß sich die Hegemonie das nicht bieten läßt. Kapiert?«
    Meine Erinnerung verriet mir, daß ich als Knabe zur John Clarke Academy in Enfield geschickt worden war, wo es einige Schläger mit kleinem Gehirn und großen Fäusten wie den hier gegeben hatte. Nach meiner Ankunft ging ich ihnen entweder aus dem Weg oder besänftigte sie. Nach dem Tod meiner Mutter, als sich die ganze Welt verändert hatte, stellte ich ihnen manchmal mit Steinen in meinen kleinen Fäusten nach und stand vom Boden auf, um noch einmal zuzuschlagen, auch wenn sie mir mit ihren Hieben die Nase blutig und die Zähne locker gehauen hatten.
    »Ich verstehe«, sagte ich leise. Mein Teller war leer. Ich hob den letzten Rest meines schlechten Champagners und prostete Diana Philomel zu.
    »Malen Sie mich«, sagte sie.
    »Pardon?«
    »Malen Sie mich, M. Severn. Sie sind doch Künstler.«
    »Maler«, sagte ich und machte eine hilflose Geste mit den leeren Händen. »Ich fürchte, ich habe kein Schreibzeug.«
    Diana Philomel streckte eine Hand in die Tasche ihres Mannes und reichte mir einen Lichtschreiber. »Malen Sie mich. Bitte.«
    Ich malte sie. Das Porträt nahm in der Luft zwischen uns Form an, Linien stiegen und fielen und krümmten sich in sich selbst wie Neonstränge einer Drahtskulptur. Eine kleine Menge Zuschauer fand sich ein. Gelinder Applaus wurde laut, als ich fertig war. Das Bild war nicht schlecht. Ich hatte die langen, anmutigen Kurven des Halses der Dame getroffen, den hochgesteckten Zopf des Haars, die vorstehenden Wangenknochen ... sogar das schwache, zweideutige Funkeln der Augen. Es war so gut, wie ich es eben fertigbrachte, nachdem mich RNS-Medizin und Unterricht auf die Persönlichkeit vorbereitet hatten. Der wahre Joseph Severn hätte es besser gekonnt ... hatte es besser gekonnt. Ich weiß noch, wie er mich gemalt hat, als ich im Sterben lag.
    M. Diana Philomel strahlte vor Begeisterung. M. Hermund Philomel schaute finster drein.
    Ein Ruf ertönte. »Da sind sie!«
    Die Menge murmelte, stöhnte und verstummte. Leuchtkugeln und Gartenbeleuchtung wurden gedämpft und abgeschaltet. Tausende Gäste richteten die Blicke himmelwärts. Ich löschte das Bild und steckte Hermund den Lichtschreiber wieder in die Tasche.
    »Das ist die Armada«, sagte ein älterer Herr würdevollen Aussehens im Schwarz von FORCE. Er hob das Glas und zeigte seiner jugendlichen Begleiterin etwas damit. »Sie öffnen gerade das Portal. Die Aufklärer werden zuerst durchkommen, dann die Schlachtschiffeskorten.«
    Das militärische Farcasterportal von FORCE war von unserem Beobachtungspunkt aus nicht zu sehen; ich dachte mir, daß es selbst im Weltraum nicht anders als ein rechteckiges Flimmern im Sternenfeld sein würde. Aber die Fusionsstreifen der Schlachtschiffe waren deutlich zu sehen – zuerst wie ein Schwarm Glühwürmchen oder leuchtende Spinnweben, dann als strahlende Kometen, als sie die Haupttriebwerke zündeten und durch die cis-lunare Verkehrsregion des Tau Ceti-Systems beschleunigten. Ein neuerliches kollektives Stöhnen war zu hören, als die Schlachtschiffe, deren Triebwerksfeuer hundertmal länger
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