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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Autoren: Dan Simmons
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Brawne war bester Laune.
    »Der verdammte Schiffscomputer benimmt sich den ganzen Morgen merkwürdig«, knurrte der Konsul.
    »Wie das?« sagte Brawne lächelnd.
    Der Konsul blinzelte sie an. »Ich bitte ihn, die reguläre Checkliste vor dem Start durchzugehen, und das dumme Ding rezitiert mir Dichtung.«
    »Dichtung?« fragte Martin Silenus und zog eine Satyrbraue hoch.
    »Ja ... hören Sie ...« Der Konsul tastete auf seinem Komlog.
    Eine Stimme, die Brawne kannte, sagte:
     
    So, ye ghosts, adieu! Ye cannot raise
    My head cool-bedded in flowery grass;
    For I would not be dieted with praise,
    A pet lamb in a sentimental farce!
    Fade softly form my eyes, and be once more
    In masque-like figures on the dreamy urn;
    Farewell! I yet have visions for the night,
    And for the day faint visions here is store;
    Vanish, ye phantoms! from my idle sprite,
    Into the clouds, and never more return!
     
    Lebt wohl denn, ihr drei Schemen – heben könnt
    Ihr nicht mein Haupt im Gras gebettet kühl.
    Ich möcht nicht Lob zur Speise, wärs vergönnt,
    Schoßlamm in einer Posse mit Gefühl.
    Vergeht sanft und als Masken noch einmal
    Seid um die träumerische Urne her.
    Geht, noch hab ich Gesichte für die Nacht
    Und blasse für den Tag in Überzahl.
    Weicht nur vom eitlen Geist, Phantome, macht
    Euch ins Gewölk auf Nimmerwiederkehr!
     
    Zitiert nach: ›Ode auf die Lässigkeit‹ in: John Keats: Gedichte, Deutsch von Alexander von Bernus, Heidelberg 1958. Verlag Lambert Schneider. S. 90.
     
    Theo Lane sagte: »Eine defekte KI? Ich dachte, dein Schiff verfüge über eine der besten Intelligenzen außerhalb des Core.«
    »So ist es«, sagte der Konsul. »Es ist nicht defekt. Ich habe den vollen kognitiven Check und einen Funktionstest gemacht. Alles ist bestens. Aber es kommt mir ... damit!« Er deutete auf die Anzeige des Komlog.
    Martin Silenus sah Brawne Lamia an, studierte ihr Lächeln gründlich und wandte sich dann wieder dem Konsul zu. »Nun, sieht so aus, als würde Ihr Schiff literarisch gebildet werden. Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Es wird während der langen Reise hin und zurück eine gute Gesellschaft sein.«
    In der anschließenden Gesprächspause holte Brawne das klobige Paket heraus. »Ein Abschiedsgeschenk«, sagte sie.
    Der Konsul packte es aus, zuerst langsam, aber dann riß und zerrte er, als der zusammengelegte, verblaßte und oft mißbrauchte Teppich sichtbar wurde. Er strich mit den Händen darüber, blickte auf und sprach mit bewegter Stimme. »Wo ... wie haben Sie ...«
    Brawne lächelte. »Ein Eingeborenenflüchtling hat sie unterhalb der Schleusen von Karla gefunden. Sie hat versucht, sie auf dem Markt in Jacktown zu verkaufen, als ich zufällig vorbeigekommen bin. Niemand wollte das schäbige Ding kaufen.«
    Der Konsul holte tief Luft und strich mit den Händen über die Muster der Schwebematte, die seinen Großvater Merin zu der schicksalhaften Begegnung mit seiner Großmutter Siri geführt hatte.
    »Ich fürchte, sie fliegt nicht mehr«, sagte Brawne.
    »Die Flugfäden müssen nur neu aufgeladen werden«, sagte der Konsul. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll ...«
    »Gar nicht«, sagte Brawne. »Sie soll Ihnen Glück für die Reise bringen.«
    Der Konsul schüttelte den Kopf, umarmte Brawne, schüttelte den anderen die Hand und fuhr mit dem Lift zu seinem Schiff hinauf. Brawne und die anderen gingen zur Schalterhalle zurück.
    Keine Wolke war am lapislazulifarbenen Himmel von Hyperion zu sehen. Die Sonne tauchte die fernen Gipfel der Bridle Range in kräftige Farben und versprach einen warmen Tag.
    Brawne blickte über die Schulter zur Stadt der Dichter und dem Tal dahinter. Die Spitzen der höheren Zeitgräber waren gerade noch zu erkennen. Ein Flügel der Sphinx spiegelte das Licht wider.
    Ohne nennenswerten Lärm und mit geringer Hitzeentwicklung erhob sich das Ebenholzschiff des Konsuls auf einer reinen blauen Flamme und stieg dem Himmel entgegen.
    Brawne versuchte, sich an die Gedichte zu erinnern, die sie gerade gelesen hatte, und an die letzten Strophen des längsten und besten unvollendeten Gedichts ihres Liebsten:
     
    Anon rushed by the bright Hyperion;
    His flaming robes streamed out beyond his heels,
    And gave a roar, as if of earthly fire,
    That scared away the meek etheral Hours,
    And made their dove-wings tremble. On he flared ...
     
    Sogleich eilte vorüber der strahlende Hyperion;
    Des flammend Gewand von seinen Fersen wallte,
    Und stieß ein Brüllen aus, als wie von
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