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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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fühlte unversehens einen leichten Unmut in sich aufsteigen. Wo war Ursel denn nur? Sie eilte ihm doch sonst immer freudig entgegen, wenn er kam, oder spähte erwartungsvoll aus dem Fenster, um ihn, kaum dass er durch die Tür getreten war, an ihr Herz zu drücken.
    »Die Meistersen sitzt hinten in der Ecke und schwätzt mit ihrer neuen Busenfreundin«, vernahm er hinter sich die kehlige Stimme der alten Irmelin. Der Gelehrte wandte sich um und begrüßte die dienstälteste Hübscherin herzlich. Trotz aller Raubeinigkeit schätzte er ihre offene und ehrliche Art. »Wieso denn Busenfreundin?«, fragte er erstaunt. »Ich dachte immer, seit Ingrids Tod bist du Ursels beste Freundin.«
    Die alte Hure zuckte unwirsch mit den Schultern. »Das dachte ich eigentlich auch, zumal ich diejenige bin, die die Meistersen am längsten kennt. Aber seit die Ulmerin da ist, bin ich abgemeldet.«
    Bernhard betrachtete Ursels Stellvertreterin verblüfft. Die sonst so fröhliche Frau schien tatsächlich betrübt zu sein. Er tätschelte Irmelin aufmunternd die Schulter. »Komm, altes Mädchen, nimm dir das nicht so zu Herzen. Du weißt doch so gut wie ich, dass Ursel sehr launisch sein kann. Aber im Grunde genommen ist sie treu wie Gold«, meinte der Gelehrte lachend.
    »Da bin ich mir nicht mehr so sicher«, erwiderte Irmelin missmutig. »Die Meistersen ist wie ausgewechselt. Wie eine Klette klebt sie an der Ulmerin.« Sie maß Bernhard mit einem seltsamen Blick. »Wenn ich’s nicht besser wüsste, könnte man fast meinen, sie steht auf die Neue …« Die bejahrte Hübscherin verdrehte die Augen.
    »Und wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast denken, du bist eifersüchtig«, scherzte Bernhard gutmütig. »Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht. Ich sollte diese Busenfreundin einmal kennenlernen …« Er verabschiedete sich von Irmelin und bahnte sich einen Weg durchs Gedränge.
    An einem Tisch in der Ecke entdeckte Bernhard endlich die Hurenkönigin. Sie saß neben einer älteren Frau mit aparten Gesichtszügen und einer rotblonden Haarmähne und war in ein so angeregtes Gespräch vertieft, dass sie ihn gar nicht bemerkte. Erst als Bernhard vor ihrem Tisch stand, sich räusperte und »Ursel« sagte, blickte sie auf.
    »Schön, dass du da bist!«, begrüßte die Zimmerin den Geliebten freudig. »Das ist Alma Deckinger, die ehemalige Frauenhauswirtin aus Ulm. Sie und ihre Tochter Irene sind erst seit Mittwoch bei uns, aber Alma ist mir bereits so ans Herz gewachsen, als würden wir uns schon ewig kennen.« Ursels dunkle Augen strahlten vor Begeisterung. Dann sah sie mit stolzem Lächeln Alma an und sagte: »Mein treuer Gefährte Bernhard von Wanebach. Der Mann, der mein Leben verändert hat.«
    Die Fremde lächelte den Gelehrten freundlich an und erklärte charmant: »Ich habe schon viel von Euch gehört – und nur das Allerbeste.«
    Bernhard bedankte sich höflich für das Kompliment und streifte Alma mit neugierigem Blick. Ebenso wie Ursel war sie eine eindrucksvolle Erscheinung und von altersloser Schönheit – und überdies nicht minder charismatisch. Die beiden hätten Schwestern sein können. Aus Almas Augen sprach dieselbe Lebensklugheit, und ihre markanten Gesichtszüge gemahnten Bernhard an eine Löwin.
    »Ein weiter Weg von Ulm bis nach Frankfurt«, richtete Bernhard das Wort an Alma. »Ihr seid bestimmt wegen der Herbstmesse hergekommen?«
    »Nicht nur«, erwiderte Alma geheimnisvoll und warf Ursel einen verschwörerischen Blick zu.
    Bernhard, der nur höflich sein wollte, ärgerte sich über die einsilbige Antwort der Ulmerin.
    »Ulm muss eine interessante Stadt sein«, mühte er sich, die Konversation fortzusetzen.
    »In der Tat«, erwiderte Alma. »Wart Ihr schon einmal dort?«
    Der Gelehrte verneinte. »Ich weiß nur, woher der Name rührt«, fügte er hinzu.
    Ihre hellgrünen Augen musterten ihn unverblümt. »Soso«, sagte sie mit einem spöttischen Lächeln.
    Obgleich sich Bernhard unter ihrem herablassenden Blick fühlte wie ein Pennäler, der seine Lektion nicht richtig gelernt hat, erwiderte er befangen: »Der Name Ulm geht auf einen der weiblichen Gottheit geheiligten Ulmenhain zurück …«
    »Was Ihr nicht sagt«, bemerkte Alma mit hochgezogenen Brauen. Ihre Augen kamen ihm mit einem Mal vor wie die scharfen, bohrenden Augen eines Greifvogels.
    Alma lächelte, als hätte sie seine Gedanken erraten, und Bernhard fühlte sich auf unangenehme Weise von ihr taxiert. Die ist mir nicht wirklich gewogen
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