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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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vergangenen Tagen die meisten Freier abgestaubt hatte.
    »Seid doch nicht kindisch, Mädchen! Das nächste Mal kommen andere an die Reihe. So, und jetzt macht euch vom Acker, damit die Gewandmacher maßnehmen können«, wiegelte die Hurenkönigin ab.
    »Wenn’s nach mir gegangen wär, ich hätt sie auch nicht genommen«, murmelte die alte Irmelin und warf Alma, die über Ursels Wahl augenscheinlich hocherfreut war, einen scheelen Blick zu.
    Ursel zog ärgerlich die Brauen in die Höhe. »Und an wen hättest du gedacht?«, fragte sie ihre Stellvertreterin gereizt.
    »Halt eine von unseren Mädels. Da sind doch genügend schöne darunter«, entgegnete die Dienstälteste verschnupft und wandte sich dem Ausgang zu.
    Irmelins Worte stimmten die Hurenkönigin nachdenklich. War es wirklich richtig gewesen, ihre eigenen Mädchen zu brüskieren? Aber Irene war nun einmal außergewöhnlich liebreizend …
    Alma kam auf die Hurenkönigin zu und umarmte sie. »Ich danke dir, Ursel! Es freut mich sehr, dass du Irene ausgewählt hast.«
    Die Hurenkönigin entwand sich ihr und murmelte missmutig: »Ich weiß nicht, ob das so klug von mir war. Das gibt böses Blut unter den Mädels.«
    »Eine Entscheidung, die von Herzen kommt, kann nicht verkehrt sein«, erwiderte Alma und lächelte Ursel entwaffnend an.
    Plötzlich erklang das laute Schlagen des Türklopfers, und ein ganzer Trupp Tuchhändler, gefolgt von mehreren Gewandschneidern, trat in die Schankstube. Die Tuchhändler trugen schwere Stoffballen auf den Armen, die sie ächzend auf den großen Tisch des Aufenthaltsraums legten.
    Die drei Hübscherinnen und die Hurenkönigin rissen beim Anblick der prächtigen Stoffe staunend die Augen auf: Samt, Atlas, Seide und Brokat in den schillerndsten Farben, denn zu einem solchen Anlass war es den Huren erlaubt, ihre gelbe Hurentracht abzulegen und in Purpur einherzuschreiten wie Adelsdamen.
    Es dauerte eine Weile, bis die Frauen, trefflich beraten von den Tuchhändlern und den Gewandmachermeistern, ihre Wahl getroffen hatten.
    Ursel entschied sich für schweren scharlachroten Atlas, der wunderbar mit ihrer hellen Haut und den rot gefärbten Haaren korrespondierte.
    »Das Gewand einer Königin«, schwärmte einer der Schneidermeister und schien im Geiste schon die fertige Robe vor sich zu sehen.
    Die Jennischen Marie hatte rosafarbene Seide ausgewählt, die ihren dunklen Teint und die schwarzen Haare vorteilhaft zur Geltung brachte. Nach längerem Zaudern suchten auch die beiden anderen Hübscherinnen ihre Stoffe aus. Irene entschied sich für blutroten venezianischen Samt, und die rote Mäu nahm jadegrünen Brokat.
    Während die Gewandmacher bei der Zimmerin und den drei jungen Frauen Maß nahmen und sich die Tuchhändler mit den restlichen Stoffen zurückzogen, erschien eine Abordnung der städtischen Goldschmiedeinnung mit Schatullen voller Geschmeide. Jede der Huren konnte sich zu ihrer Festtagsrobe den passenden Schmuck aussuchen – sollten doch die kostbar ausstaffierten Hübscherinnen dem hohen Besucher den Wohlstand der Stadt Frankfurt demonstrieren.
    Die Ohrgehänge, Stirnreifen und Halsbänder wurden von den Goldschmiedemeistern in einer eigens mitgebrachten Kladde genau quittiert und vermerkt, denn nach Beendigung der Feierlichkeit mussten sämtliche Schmuckstücke wieder unbeschadet und vollständig an die Goldschmiedeinnung zurückgegeben werden. Die Hurenkönigin verpflichtete sich mit ihrer Unterschrift, dafür Sorge zu tragen.
    Im Laufe des turbulenten Vormittags gaben sich die städtischen Handwerker im Hurenhaus regelrecht die Türklinke in die Hand. Schuhmacher passten den auserwählten Huren elegante Schnabelschuhe aus weichem Ziegenleder an, und schließlich kam noch ein Hutmachermeister mit seinen Gesellen, um für kunstvolle Kopfbedeckungen Maß zu nehmen.
    Alle Handwerker sagten verbindlich zu, die fertiggestellte Garderobe mitsamt den Accessoires bereits am frühen Montagmorgen, also in zwei Tagen, am Dempelbrunnen anzuliefern. Als sie das Frauenhaus um die Mittagszeit verließen, kamen ihnen bereits die ersten Freier entgegen.

    Am Samstagabend betrat Bernhard von Wanebach um die sechste Stunde die berstend volle Schankstube des Frauenhauses und sah sich suchend nach der Hurenkönigin um. Unter all den lärmenden, angetrunkenen Menschen kam sich der hochgewachsene Mann im schwarzen Gelehrtentalar und einem Samtbarett auf den graumelierten Haaren fast ein wenig verloren vor. Er roch die Ausdünstungen und
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