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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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    Der Gelehrte räusperte sich und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Unversehens wurde ihm bewusst, dass er noch immer stand.
    Erst jetzt schien es auch Ursel aufzufallen, dass an ihrem Tisch ein dritter Stuhl fehlte und Bernhard noch keinen Sitzplatz hatte.
    »Ach Gott, mein Armer, wir haben ja gar keinen Stuhl für dich!«, stieß sie bedauernd hervor und schaute sich suchend um. Doch sämtliche Stühle im Gastraum waren besetzt. Ursel runzelte unwirsch die Stirn. »Was machen wir denn da?«, murmelte sie zögerlich und blickte unwillkürlich Alma an. »Dann … dann werden wir wohl doch nach oben gehen müssen. Schade, wo wir uns gerade so gut unterhalten haben!«
    Alma erhob sich kurzerhand und bot Bernhard ihren Platz an. »Ich wollte mir sowieso ein wenig die Beine vertreten«, erklärte sie zuvorkommend.
    Doch Ursel gebot ihr Einhalt. »Das kommt nicht in Frage, dass du vertrieben wirst«, protestierte sie entschieden und hielt die neue Freundin am Arm zurück. »Da habe ich eine bessere Idee …« Sie sah Alma eindringlich an.
    »Ich auch«, presste Bernhard hervor, der sich allmählich überflüssig vorkam. »Am besten, ich gehe wieder.«
    »Jetzt hör aber auf!«, empörte sich Ursel und warf Bernhard einen ärgerlichen Blick zu.
    »Tut mir leid, dass ich euch bei eurem Gespräch gestört habe«, murmelte er unwirsch.
    »Du störst wirklich nicht«, suchte ihn die Hurenkönigin zu beschwichtigen, doch Bernhard konnte sich des Gefühls, fehl am Platze zu sein, nicht erwehren.
    »Wir können uns doch weiter unterhalten – wir drei«, sagte Ursel versöhnlich und erhob sich von ihrem Stuhl. »Lasst uns nach oben in mein Zimmer gehen, dann machen wir uns noch einen netten Abend.«
    Als Bernhard gleich darauf an der Seite von Ursel und Alma den Schankraum verließ, ließ er sich seinen Verdruss zwar nicht anmerken, doch das Hochgefühl, mit dem er das Frauenhaus betreten hatte, war dumpfer Übellaunigkeit gewichen.
    Oben im Zimmer schenkte Ursel allen Wein ein und hob prostend den Becher. »Auf diesen Abend!«, verkündete sie gutgelaunt und erzählte Bernhard von dem feierlichen Empfang, der für den kommenden Montag im Frauenhaus geplant war. »Ein ganz schickes Kleid habe ich mir heute Morgen anpassen lassen, schade, dass ich es dir noch nicht zeigen kann, aber es wird erst am Montag geliefert.«
    »Da bin ich mal gespannt«, erwiderte Bernhard wortkarg und trank in wenigen Zügen seinen Becher leer. Doch weder der Wein noch die Anekdoten, die Ursel fröhlich plaudernd erzählte, konnten dazu beitragen, seine Stimmung zu heben.
    Als Ursel ihn schließlich in die Seite knuffte und ihm zuraunte, er solle doch nicht so ein Trauerkloß sein, musste er unversehens hüsteln. Ihm war tatsächlich, als steckte ihm ein Kloß im Hals, der ihn daran hinderte, etwas Nettes, Unverfängliches zu sagen. Andererseits mochte er auch keinesfalls seinem Unmut freien Lauf lassen und Ursel eine Szene machen.
    Bernhards Missstimmung schien indessen weder auf Ursel noch auf Alma abzufärben. Sie ignorierten ihn weitgehend und ergingen sich in Gesprächen über Gott und die Welt. Bernhards Aversion gegen Alma wurde immer stärker. Warum begriff Ursel nicht, dass er endlich mit ihr allein sein wollte?
    Während in dem Gelehrten zunehmend der Entschluss reifte, das Zimmer zu verlassen und sich auf den Heimweg zu machen, klopfte es an der Stubentür. Eine Hübscherin trat ins Zimmer, die Ursel Bernhard als Almas Tochter Irene vorstellte.
    Das hinreißende Lächeln, das ihm die junge Frau zuwarf, und die freundliche Art, wie sie ihn begrüßte, wärmten dem enttäuschten Gelehrten das Herz – und er dachte mit einiger Bitternis, dass dies das erste erfreuliche Erlebnis dieses Abends war. Der Lebemann und Frauenkenner musterte Irene mit wachsendem Interesse und gewann bald den Eindruck, selten eine liebreizendere Frau gesehen zu haben.
    »Gildemeisterin, ich wollte nur fragen, ob es recht ist, wenn der junge Visconti aus Mailand heute wieder bei mir nächtigt?«, erkundigte sich Irene bei der Hurenkönigin.
    Ursel zögerte und überlegte eine Weile. Dann wandte sie sich mit sichtlicher Überwindung an ihren Geliebten und fragte: »Kann ich heute ausnahmsweise bei dir übernachten?«
    Bernhard zuckte nur mit den Schultern und erwiderte einsilbig: »Von mir aus.«
    »Na, das klingt ja nicht gerade begeistert«, sagte die Hurenkönigin und wandte sich an Irene: »Das geht klar.«
    Die junge Hübscherin wünschte allen
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