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Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon

Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon

Titel: Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Autoren: Rainer M. Schröder
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Prolog
    Reglos stand er auf dem Verfluchten Turm von Ak kon*. Die von Zinnen gesäumte Plattform erhob sich hoch über der breiten Festungsmauer der zweiten, inneren Wall anlage. Auf den offenen Handflächen seiner weit ausgestreckten Arme hielt er das von Meisterhand geschmiedete Damaszener schwert, bei dem die beiden Enden der breiten Parierstange quer über dem Griffstück sowie der Knauf in fünfblättrigen goldenen Rosen ausliefen. Er stand mit dem Gesicht nach Osten, als wollte er die kostbare Waffe dem nächtlichen Himmel als Opfergabe darbieten. Der Wi derschein der Fackeln auf den trutzigen Wehrgängen unter ihm und der vereinzelten Brände, die im dicht gedrängten Häuser meer der belagerten Hafenstadt hier und da die nächtliche Dun kelheit mit ihrem flackernden Flammenschein aufrissen, tanzte wie ein glutrotes Irrlicht über den blanken Stahl der beidseitig geschliffenen Klinge. Die beiden in braune Umhänge gekleideten und schwertbe wehrten Gefolgsmänner, die mit ihm auf das viereckige Boll werk gestiegen waren, hielten einen respektvollen Abstand von mehreren Schritten. Sie folgten dem Tun ihres Herrn mit höchster Aufmerksamkeit. Nichts entging ihnen, auch wenn schon seit vielen Jahrzehnten kein Bild mehr durch den leblo sen, milchig trüben Schleier vor ihren Augen gedrungen war. Sie mochten blind sein, aber dennoch »sahen« sie auf ihre Art mehr als manch einer, der sich seines Augenlichts freuen durfte.
    * Eine Skizze von Akkon mit seinen verschiedenen Stadtvierteln und Befes tigungsanlagen zur Zeit der Belagerung vom Mai 1291 findet sich am Ende des Romans im Anhang.

    »Die Nacht ist vorgerückt und der Tag nahe gekommen! Lasst uns able gen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts!« Der Mund des Mannes mit dem hoch erhobenen Schwert bewegte sich kaum, als er die Worte des heiligen Paulus aus seinem Brief an die Römer zitierte, sprach er doch allein zu sich selbst. Und dass sie ihm zu dieser weit vorgerückten, nächtlichen Stunde ein mal mehr über die Lippen gekommen waren, wurde ihm erst be wusst, als er dem Klang seiner eigenen, geflüsterten Worte nach lauschte. Wie oft er diese Aufforderung in seinem Leben schon ausgesprochen hatte! Diesmal jedoch war es anders. Die Anbeter des Bösen rotteten sich dort draußen zusammen, lauerten im Rücken des feindli chen Heeres und streckten ihre Klauen nach dem heiligen Quell des Lebens aus, der grenzenloses Verderben über die Welt brin gen würde, wenn er ihnen in die Hände fiele. Er wusste, dass die Zeit des Handelns, die Zeit für seine letzte große Aufgabe ge kommen war, doch er wartete noch auf das göttliche Zeichen, das ihm den Weg weisen musste. Jeden Moment würden die finsteren Heerscharen der Nacht den lichten Fluten des neuen Tages weichen und es würden die ers ten Sonnenstrahlen hinter dem Tell el-Fukar aufleuchten. Über diese weitläufige, baumbestandene Anhöhe, die sich etwas weni ger als anderthalb römische Meilen* vor den Mauern von Akkon aus der Ebene erhob, war das gewaltige Belagerungsheer der Mameluken** vor anderthalb Wochen hinweggeflutet wie eine stürmische Brandungswelle über einen flachen Strand. Ein Meer von Zelten und Pavillons bedeckte seit jenem Tag nicht nur den Tell el-Fukar, sondern erstreckte sich auch entlang der Straße nach Shafra’amr und al-Kadisiya, es hatte von den grünen Ufern des kleinen Flusses Belus Besitz ergriffen und reichte bis weit in das Hinterland nach Samaria hinein. Ein zweites, nicht ganz so gewaltiges Heerlager, das die Sarazenen aus Damaskus und Hamah mit ihren Vasallen bildeten, hatte sich im Norden vor der Stadt zu beiden Seiten der Landstraße nach Tyrus ausgebreitet und den Belagerungsring um die befestigte Halbinsel von Akkon geschlossen. Der Mann, der sich in Begleitung der beiden blinden Schwertträger zu dieser frühen Morgenstunde auf der Plattform des Verfluchten Turms eingefunden hatte, war von hochgewachsener Gestalt. Dichtes eisgraues Haar fiel ihm auf die hageren Schultern und nicht weniger dicht wallte ihm der Vollbart wie ein aus Silber gesponnenes Schild bis auf die Mitte der Brust herab. Er trug den weißen Mantel der Tempelritter mit dem blutroten Tatzenkreuz. Der Umhang wies ihn trotz des regelwidrig langen Haupthaars als einen jener furchtlosen Kriegermönche aus, deren Mut und Todesverachtung schon seit Jahrhunderten legendär waren und deren unbeugsamer Kampfgeist von keinem anderen Ritterorden erreicht, geschweige denn übertroffen wurde.
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