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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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Blumenstrauß oder Zweige in die Kammer, hielt mit der Freundin stumme Zwiesprache und fühlte sich ihr nahe. Daher war die Entscheidung für Ursel so schmerzlich.
    Endlich erklärte sie mit brüchiger Stimme: »Gut, ich sage den Hübscherinnen aus Ulm, sie können das Zimmer haben.« Sie griff nach der Blumenvase und kehrte mit Irmelin in den Schankraum zurück.
    Die beiden Neuankömmlinge wärmten ihre klammen Hände an den heißen Bechern, sie sahen müde und erschöpft aus. Als Ursel ihnen mitteilte, dass sie doch bleiben könnten, hellten sich ihre Mienen auf.
    »Ihr seid ein Engel, Zimmerin!«, rief Alma aus und drückte dankbar Ursels Hand. »Ich wusste doch, dass eine Frau wie Ihr uns nicht die Tür weisen wird.« Die grünen Augen der ehemaligen Frauenhauswirtin strahlten.
    Ihre Tochter Irene schien nicht minder erleichtert zu sein. »Gott vergelt’s, Gildemeisterin«, sagte sie und legte die Hand aufs Herz.
    Ursel Zimmer, der die überschwänglichen Dankbarkeitsbezeugungen unangenehm wurden, lächelte beschwichtigend und erklärte: »Ihr werdet Euch allerdings ein Zimmer teilen müssen, denn es ist das letzte, das wir haben. Außerdem muss jede von Euch einen Gulden pro Woche an den Scharfrichter entrichten. Das ist während der Messe so üblich. Dafür kriegt jede Hure täglich einen Hering und zwei weitere Gerichte, und Ihr könnt so viel Wein trinken, wie Ihr wollt. Es ist zwar noch Fastenzeit, aber für die Frankfurter Frühjahrsmesse hat der Kaiser die strengen Fastenvorschriften ein bisschen gelockert. Wir wollen ja auch ein paar Taler verdienen, wenn Messe ist, gell?«
    »Das ist doch selbstverständlich, Hurenkönigin. Und was das Zimmer anbetrifft, werden Irene und ich uns schon einig werden. Irene wird sowieso die meisten Freier abstauben, und die wenigen, die sich zu mir verlaufen, können wir schon irgendwie dazwischenschieben …«, sagte Alma gutgelaunt.
    »Gut, dann trinkt aus und kommt mit«, erwiderte Ursel. Sie nahm die Ulmerinnen noch einmal genauer in Augenschein – und sie gefielen ihr, alle beide.
    Alma hatte ein sehr ausdrucksvolles, markantes Gesicht, das verriet, dass sie viel erlebt hatte. Am meisten beeindruckt war Ursel von Almas Augen, die von fast transparentem, hellem Grün waren und sie an Bergseen erinnerten.
    War die Mutter schon eine eindrucksvolle Erscheinung, so war Irenes Schönheit schlicht atemberaubend. Sie hatte makellose blasse Haut, sinnliche Lippen und geheimnisvoll schräge, mandelförmige Augen, alles umrahmt von kastanienbraunen Locken. Die Hurenkönigin konnte kaum die Augen von ihr abwenden.
    Die wird uns guten Zulauf bescheren, dachte Ursel pragmatisch und begleitete die Frauen nach oben.

    In der holzgetäfelten Wohnstube war es bitterkalt. Die zierliche Frau mit den verhärmten Gesichtszügen zog sich den Wollumhang fester um die Schultern und blies in die spärliche Glut des Kaminfeuers, das kaum noch Wärme von sich gab. Ihr Blick fiel auf den Stapel Buchenholzscheite, der an der Seite der mannshohen Feuerstelle sorgsam aufgeschichtet war, und Angst legte sich um ihr Herz.
    Nein, sie durfte nichts mehr nachlegen, denn er hatte die Holzscheite am Morgen genau gezählt – und sie hatte doch schon drei Scheite verbraucht.
    Bald würde er nach Hause kommen, und dann musste sie nicht mehr frieren. Angespannt blickte sie zur Tür und lauschte mit angehaltenem Atem, doch alles blieb still. Hastig beugte sie sich zu der hellgrauen Windspielhündin hinab, die vor ihrem Lehnstuhl lag. Obgleich das Tier in eine Wolldecke gewickelt war, zitterte es vor Kälte. Mit klammen Fingern streichelte sie den Kopf des Hundes und zog ihm behutsam die Decke vom Körper. Das Tier sah freundlich zu ihr auf und wedelte.
    »Gleich wird es warm, Asta«, raunte sie dem Hund zu und schüttelte mit mehreren ruckartigen Bewegungen die Decke aus. Auch wenn das Fell des Hundes fein und glatt war, konnte ihn zuweilen doch schon das kleinste Hundehaar zur Weißglut bringen. Zwar bürstete sie Asta täglich und achtete peinlichst auf Sauberkeit, trotzdem konnte es vorkommen, dass er an dem Fell des Hundes schnüffelte und verärgert ausrief: »Der Köter stinkt ja wie eine Kloake!« – was zur Folge hatte, dass er das verängstigte Tier packte und es unten in der Waschküche in einen Wasserbottich setzte, wo er es über und über mit Kernseife einschäumte und ausgiebig schrubbte.
    Sie streifte die grazile Hündin mit einem mitleidigen Blick. Asta fürchtete sich fast genauso vor ihm
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