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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden
Autoren: Ursula Neeb
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wie sie.
    Auf einmal sprang der Hund auf und flüchtete mit eingeklemmtem Schwanz unter die Sitzbank im hinteren Winkel der Wohnstube. Ein sicheres Zeichen, dass er nach Hause kam. Der fragile Körper der Frau erbebte, hektisch griff sie nach dem Stickrahmen, der neben ihr auf einem Tischchen lag, und begann mit zitternden Händen zu sticken. Den ganzen Tag waren ihre Finger vor Kälte so steif gewesen, dass sie an ihrer Stickerei nicht arbeiten konnte.
    Gleich darauf vernahm sie das Knirschen des Schlüssels im Haustürschloss, energische Schritte stapften durch die Halle, und im nächsten Moment trat er bereits durch die Stubentür. Er trug noch seine pelzverbrämte Schaube und die Kappe aus Biberfell, als er grußlos zum Wandbord eilte und begann, die Zinnkrüge, Kerzenhalter und Teller zurechtzurücken. Dann fuhr er mehrfach mit den Fingern über die Regalböden, besah sich die Fingerkuppen genau und knarzte übelgelaunt: »Es wird Zeit, dass hier mal wieder Staub gewischt wird! Was bist du bloß für eine untaugliche Hausfrau!«
    Wie immer enthielt sie sich einer Entgegnung, denn jedes Widerwort hätte ihn nur noch wütender gemacht. Dabei wusste sie genau, dass sein Tadel unbegründet war, denn die Magd hatte die Regale erst am Morgen abgewischt.
    Dann näherte er sich dem Kamin. Ohne sie anzusehen, begutachtete er den Holzstapel.
    »Ich … ich habe drei Holzscheite verheizt … weil … weil es mir so kalt war«, stieß sie mit bangem Blick hervor.
    Nun wandte er sich zu ihr um. »Schaff was, dann frierst du auch nicht!«, zischte er aufgebracht. »Wenn ich den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen würde, wäre es mir auch kalt!«
    Abwartend blieb er vor ihr stehen. Sofort sprang sie auf und nahm ihm Hut und Schaube ab. Dabei musste sie sich ganz schön strecken, denn der große, bullige Mann überragte sie um gut zwei Köpfe. Während sie mit der schweren Schaube überm Arm und der Biberpelzkappe in der Hand zur Halle lief, rief er ihr nach: »Sorg gefälligst dafür, dass eingeheizt wird und das Essen auf den Tisch kommt!«
    Nachdem sie der Magd und der Köchin die entsprechenden Anweisungen gegeben hatte, kehrte sie mit seinem gefütterten Hausmantel und den Filzpantoffeln wieder in die Stube zurück. Während sich das Dienstmädchen am Kamin zu schaffen machte, deckte die Köchin den Esstisch und trug Schüsseln und Platten mit dampfenden Speisen herein.
    Der kahlköpfige Mann mit den groben Gesichtszügen hatte sich auf einem gepolsterten Lehnstuhl am Kamin niedergelassen und musterte die junge Magd, die vor ihm auf dem Boden kauerte und ihm den Rücken zukehrte, mit lüsternen Blicken. Unversehens beugte er sich zu ihr hinab und tätschelte ihr pralles Hinterteil. Erschrocken fuhr das Mädchen zusammen und wich ängstlich zurück.
    Ohne weiter auf sie zu achten, erhob er sich und schlurfte zum Tisch, wo er sich an die Stirnseite setzte. In diesem Moment schlug die mechanische Räderuhr am Römerrathaus die siebente Abendstunde. Seine Gattin machte sich daran, ihm von den Speisen aufzutun, doch er brüllte so lautstark, dass sie vor Schreck den silbernen Schöpflöffel auf den Boden fallen ließ: »Wo bleibt denn das Frauenzimmer nur wieder? Um sieben wird gegessen!« Gleich darauf gab er seiner Frau wegen ihrer Ungeschicktheit eine schallende Ohrfeige.
    Von der Halle her waren Schritte zu vernehmen, und eine hochgewachsene junge Frau trat in die Stube. Ehe sie sich an den Tisch setzte, beugte sie sich zu ihrer Mutter, die mit dem Schöpflöffel in der Hand auf dem Boden kniete, und umarmte sie. Sie gewahrte ihren verstörten Blick und die gerötete Wange.
    »Na, Mutsch, was ist denn wieder?«, fragte sie besorgt und fixierte den Vater mit unverhohlener Feindseligkeit.
    »Nichts, mir ist nur der Löffel aus der Hand gefallen …«, erwiderte die kleine Frau hastig und bemühte sich um einen heiteren Tonfall. Sie lächelte ihre Tochter tapfer an und sagte: »Setz dich, Kind. Es gibt saure Nieren.«
    Sie hatte gelernt, nicht mehr in Tränen auszubrechen, wenn ihr Mann sie züchtigte. Sonst fühlte er sich lediglich dazu angestachelt, erneut zuzuschlagen. Mit fahriger Geste wischte sie die Schöpfkelle an ihrem Gewand ab und wollte sie gerade in die Schüssel tauchen, als er sie empört anschrie: »Mir vergeht gleich der Appetit! Schaff gefälligst den dreckigen Löffel weg und hol einen sauberen aus der Küche! Da sind doch lauter Hundehaare dran!«
    Die junge Frau richtete sich auf, legte der Mutter
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