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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition)
Autoren: Ursula Neeb
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schnürte ihr die Kehle zu. Sie wusste nicht, was sie mehr fürchtete, die entsetzlichen Folterqualen oder den bevorstehenden Tod. Alles in ihr begehrte auf. Sie wollte nicht sterben! – Doch wie konnte sie ihrem Schicksal entrinnen? Welche Möglichkeiten hatte sie, die Pläne des teuflischen Paares zu durchkreuzen? Sie fand keine Antwort.
    Sie war kurz davor, vor Verzweiflung den Verstand zu verlieren. Heilige Maria Magdalena, steh mir bei und errette mich aus den Händen dieser Wahnsinnigen!
    »Ich habe mir viel Mühe gegeben mit euch Metzen«, unterbrachen Liobas zynische Worte Ursels Stoßgebet. »Für die Todestage der Sünderinnen habe ich immer einen Gedenktag eurer Schutzheiligen gewählt. Bei der ersten Hure hat das gut gepasst, die zweite ist uns leider schon vorher verreckt, das Miststück. Aber immerhin ist sie dann pünktlich zum Gedenktag der heiligen Afra gefunden worden. – Soweit ich weiß, gibt es übers ganze Jahr verteilt insgesamt acht solcher Namenstage.« Lioba warf der Hurenkönigin einen hämischen Blick zu. »Für dich hatte ich eigentlich den 9. April vorgesehen, den Gedenktag der heiligen Maria von Ägypten, die von sich selber gesagt hat: ›Alles, was schändlich ist, habe ich getan.‹ Das würde doch zu dir passen, nicht wahr? Auch Maria von Ägypten starb einen qualvollen Märtyrertod, wie ich ihn dir, der Hurenkönigin, als Letzter zugedacht hatte, gewissermaßen als krönenden Abschluss aller Gnadenakte.« Lioba von Urberg legte eine Pause ein und erhob schäkernd den Zeigefinger in Ursels Richtung.
    »Nun bist du uns aber zuvorgekommen«, fuhr sie fort, »und wir müssen dich sozusagen außer der Reihe unschädlich machen. In den vergangenen Tagen habe ich lange darüber nachgedacht, ich habe es mir wahrlich nicht leichtgemacht, das darfst du mir glauben.« Sie blinzelte Ursel mit gespielter Ernsthaftigkeit an. »Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man sich an einer wie dir nicht die Finger schmutzig machen sollte! Am besten ist es, dich einfach zu vergessen, so als habe es dich nie gegeben. Im Keller unseres Hauses gibt es einen alten, stillgelegten Brunnenschacht, an dessen Ende sich ein gemauerter Kerker befindet. Er ist nur durch eine schmale Luke an der Decke zugänglich und gerade groß genug, dass eine Person in kauernder Haltung dort verwahrt werden kann.« Sie kicherte gehässig. »Im Grunde genommen ist er ein steinernes Grab. Die Vorfahren meines verstorbenen Gemahls haben diese Kammer des Vergessens, eine sogenannte Oubliette, bereits vor Jahrhunderten angelegt, um sich darin verhasster Feinde zu entledigen. Das ist doch genau das Richtige für eine wie dich!«
    Lioba erhob sich und gab dem Freiherrn ein Zeichen. »Wir werden dich jetzt dorthin schaffen«, verkündete die Freifrau und wandte sich noch einmal zu der Hurenkönigin um. »Es war übrigens sehr dumm von dir, dass du deine Henkersmahlzeit kaum angerührt hast!«, platzte es aus ihr heraus, und sie wurde unversehens von Lachkrämpfen geschüttelt, so dass sie kaum weitersprechen konnte. »Unten … in deinem … Verlies hast du Zeit genug … von deinem … deinem Hühnerbein zu träumen!« Sie krümmte sich vor Heiterkeit.
    Auch Jakob von Stockheim lächelte belustigt, als er sich zu der Hurenkönigin hinunterbeugte. Er packte sie mit einem festen Ruck und stellte sie auf die Füße. Ursel konnte ein gequältes Stöhnen nicht unterdrücken. Der zusammengerollte Stofflappen in ihrem Rachen drohte sie zu ersticken. Am liebsten hätte sie wild um sich geschlagen, doch ihre auf dem Rücken gefesselten Arme ließen das nicht zu.
    Lioba von Urberg nahm einen Kerzenhalter und ging voran. Jakob von Stockheim fasste die Hurenkönigin an den Handfesseln und schob sie grob durch die Tür. Das schmale Gewölbe der Wendeltreppe wurde vom flackernden Kerzenlicht nur notdürftig erleuchtet. Zwischen Ursels Fußknöcheln befand sich ein Hanfseil, das gerade so weit gespannt war, dass sie die Treppenstufen hinuntergehen konnte. Es straffte sich bei jedem Schritt und schnitt ihr schmerzhaft ins Fleisch. Jakob von Stockheim hielt von hinten ihre Handgelenke umklammert wie ein Schraubstock. Er schien über ungeheure Körperkräfte zu verfügen.
    »Mach schneller, du Miststück«, zischte er wütend und versetzte Ursel einen so heftigen Schlag gegen die Schläfe, dass sie mit der Stirn gegen das grobe Mauerwerk schlug. Sie spürte, wie ihr das Blut übers Gesicht strömte. Durch einen roten Schleier hindurch gewahrte
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