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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot
Autoren: Piers Anthony
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wäre ein Ruf an dich auf eine dir vertraute Station als Anfangsposition verständlich. Aber da du sie besser kennst als ich, habe ich gedacht, es wäre vielleicht gut, wenn du sie vor ihrer Abreise sprichst. Ich brauche wohl kaum zu betonen, wie wichtig es ist, daß du sie zum Bleiben überredest. Sie war eine unserer besten jüngeren Führungskräfte, aber ich denke nicht ausschließlich an das Wohlergehen des Ordens, sondern auch an Mary selber. Ich glaube, kein anderer Beruf könnte sie wirklich befriedigen.“
    „Nein, bestimmt nicht“, meinte Pater Paul. „Der Orden ist ihr Lebensinhalt. Das … das sieht ihr gar nicht ähnlich.“ Er schüttelte besorgt den Kopf. „Habt Ihr irgendeine Ahnung, warum sie …?“
    Der Bischof runzelte die Stirn. „Mir ist ihre Personalakte natürlich ebenso bekannt wie die deine. Ich weiß, wie du zum Heiligen Orden der Vision gestoßen bist. Ich weiß, du wurdest von Schwester Beth bekehrt, ehe sie …“
    „Ich habe sie umgebracht“, sagte Pater Paul. „Ihr wißt dies, und dennoch befördert Ihr mich?“
    „Ihr wart beide ein Opfer der Umstände. Jeder von uns hat viele Sünden auf dem Gewissen, gar nicht mitgerechnet jene, die jenseits unserer bewußten Verantwortung liegen. Ich will damit sagen: Wir vom Heiligen Orden der Vision kennen unsere Mitglieder recht gut, besonders diejenigen, von denen wir uns besonders viel versprechen. Die meisten unserer Leute stammen wortwörtlich aus der Gosse. Ich zumindest. Mir klebt Blut an den Händen und eine Mikro-Lobotomie-Narbe im Gehirn. Wie du habe ich bei der letzten Prüfung versagt, aber es war die Gesellschaft und nicht Satan, die mich abgeurteilt hat. Wir leben in einer grausamen Welt. Eigentlich in der Hölle. Aber es ist die Hölle und nicht der Himmel, der die meisten Sozialarbeiter benötigt. Daher schockiert mich deine Vergangenheit nicht. Wichtig ist nur dein gegenwärtiger Zustand – was du wohl dem Mormonen gegenüber zum Ausdruck gebracht hast. Marys Konversion verlief ähnlich.“
    „Das kann ich nicht glauben!“
    „Die Naivität steht dir gut, Paul. Du hast dein ganzes Leben in der Hölle verbracht und sie kaum gesehen. Ich werde keine Einzelheiten über Marys frühere Existenz ausbreiten und auch nicht darüber, wie sie zu uns gekommen ist. Du weißt, welch ein Juwel sie geworden ist. Ich möchte nur klarstellen, daß für sie, falls man ihr erlaubt hätte, an deiner Stelle zum Planeten Tarot zu gehen, die Animationen keineswegs angenehmer geworden wären, als sie es für dich waren.“
    „Wenn man es ihr erlaubt hätte? Ihr meint, sie …“
    „Mary hat sich freiwillig für diese Mission gemeldet, ja. Wir haben es ihr verboten, weil wir der Meinung waren, ihr ermangele es an körperlicher Widerstandskraft. Und daher haben wir sie der doppelten Demütigung unterworfen, dich zu schicken.“
    „Sie … sie hat gewußt, wie es sein würde?“
    „Ja. Und ich glaube, sie hat Schuldgefühle, daß sie dich geschickt hat – ebenso wie du Schuldgefühle hast, Schwester Beth an die Polizei ausgeliefert zu haben. Glücklicherweise hast du überlebt und mein Urteil bestätigt – und ich denke, wenn du mit ihr redest …“
    „Ja! Ja, natürlich“, stimmte Pater Paul zu. „Sie braucht meinetwegen keine Schuldgefühle zu haben.“
    „Ich war sicher, du würdest es verstehen“, meinte Bischof Crowder. Aber sein Lächeln blieb rätselhaft.
     
    Bruder Pauls Heimweg war anders als der Weg zu der Materieübertragungskapsel vor so langer, langer Zeit. Auch dies war eine Politik des Ordens: neue Gebiete aufsuchen statt die gleichen Wege zu gehen, selbst wenn man nur auf der Durchreise war. So verbrachte er eine Nacht bei dem Stamm der Pikten. Ob sie mit den wirklichen Galen oder Kelten etwas gemein hatten, war fraglich, aber er war zu diplomatisch, um ihre Skepsis zu erregen.
    Ihr Häuptling war nackt, der Oberkörper schrecklich blau-grün tätowiert: offensichtlich Zeichen der Ehre. „Nur selten habe ich eine so schöne Kunst gesehen“, meinte Pater Paul taktvoll.
    „Willkommen bei uns“, sagte der nackte Künstler geschmeichelt. „Aber, Pater, bitte … würdet Ihr … mein Kind ist krank.“
    „Ich bin kein Arzt“, entgegnete Pater Paul vorsichtig.
    „Wir haben Ärzte hier, aber sie konnten ihr nicht helfen. Sie sagen, sie muß ins Krankenhaus, Röntgen, Bluttransfusionen, Medizin …“ Er blickte Pater Paul direkt an. „Es ist ein langer Weg in die Zivilisation. Sie wird sterben, ehe wir dorthin
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