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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen
Autoren: Pamela Freeman
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forderte er sie auf.
    »Die Tür zur Wiedergeburt öffnet sich beim Tod«, sagte sie. »Ich habe sie gesehen und bin nicht hindurchgegangen. Aber wenn jemand stürbe und hindurchginge, dann könnte ich ihm wohl folgen.«
    »Ist das meine Aufgabe?«, fragte Saker. »Zu sterben? Das könnte ich, glaube ich.«
    Für Bramble fühlte sich das fast richtig an. Aber doch nicht ganz. Es war irgendwie zu einfach.
    »Ash«, sagte Martine, »erinnerst du dich an das Lied, das
du für uns im Hidden Valley gesungen hast, das mit dem Opfer?«
    Der Götter eigenes Opfer galoppiert, reitet den Hügel hinauf.
    Ihre Hände sind nass vor Blut und Tränen und Angst,
    Auf dem Gipfel bäumt sie sich auf, und ihr Banner treibt hinaus.
    Nun müssen die Hände des Mörders sich in den Toten sammeln.
    »Der Götter eigenes Opfer«, wiederholte Bramble. Dabei dachte sie an Sebbi, der vor tausend Jahren auf den Eiskönig aufgespießt worden war. Das Geräusch war inzwischen so laut, dass es ihr schwerfiel, klar zu denken. »Das bin ich. Das Opfer ist die Jagdbeute, und das bin ich.«
    »Wiedergeborene Jagdbeute«, fragte Martine, »bist du bereit zu sterben?«
    »Ich bin schon zweimal gestorben – drei sind aller guten Dinge.«
    Sie hätte laut lachen wollen. Falls sie seherische Fähigkeiten hatte – und sie war sich dessen nach wie vor nicht sicher -, dann sagten sie ihr klar und deutlich, dass dies richtig war, dass sie es tun musste. Acton sah sie traurig an, doch sie erwiderte sein Lächeln mit Erleichterung. Es war nicht nötig, jemanden zu töten. Nicht nötig, dass ein anderer starb.
    Die Gestalten wurden deutlicher, und von jenseits des Felsplateaus kamen dumpfe, rasche Schreie.
    Schwerter wurden gezogen und schlugen nach dünner Luft, Menschen versuchten, sich die Gestalten vom Hals zu halten, Friede nahm ihre Krücke auf und schwang sie wie wild, um dann jedoch zu erstarren, da sie erkannte, dass sie auf nichts Stoffliches einschlug. Die Gestalten wurden immer
stärker, voller, als zögen sie Kraft aus den Reaktionen. Aus der Angst.
    Bramble blickte aus verschwommenen Augen auf die Gestalten, die sich unmittelbar jenseits des Todes wanden. »Nun wirst du gar nicht auf mich warten müssen«, sagte sie zu Acton. »Wir können jetzt sofort wiedergeboren werden. Und nach all dem hier schulden die Götter uns ein schönes Leben!«
    Er lachte.
    »Ich hatte ein schönes Leben«, meinte er. »Aber eines mit dir wird noch besser werden!«
    Die anderen waren alle ernst. Bramble hingegen wurde von einem Hochgefühl erfüllt. Sie kniete sich hin und angelte den roten Schal aus ihren Satteltaschen hervor. Dann suchte sie die Menge der Geister ab, bis sie eine Frau mit einer Lanze entdeckte. Sie borgte sie sich aus und band den Schal an ihre Spitze, so wie es beim Frühjahrsjagdrennen immer üblich gewesen war.
    Es war kurz vor Sonnenaufgang. Im grauen Licht der morgendlichen Dämmerung war alles deutlich zu erkennen: die Kriegsherren und ihre Gefolgsleute, die Turviter, der breite Kreis der mit Baluchs Blut bespritzten Geister. Bramble begegnete dem Blick derer, die sie gekannt hatte, und nickte.
    Sie stand da und hielt die Lanze, war bereit. Doch es fehlte noch etwas.
    »Warte«, sagte Martine, deren seherische Fähigkeiten ihre Augen ausdruckslos werden ließen. »Da kommt jemand.«
    Es war jemand, der auf einem Pferd herangaloppiert kam. Bramble hörte, wie die Hufschläge lauter wurden. Es war unmöglich, aber sie schienen von jenseits des Flusses zu kommen. Sie kamen immer näher, aber noch immer war kein Pferd zu sehen. Ihr Herz hämmerte. Sie ließ die Lanze fallen. Während das Geräusch durch den Kreis der Geister
drang, formte sich eine Gestalt in der Luft, jemand, den sie kannte. Natürlich, wer sonst? Es war ein Geschenk der Götter. Vielleicht hatte er aber auch nur einfach selbst beschlossen, zurückzukehren.
    Er trabte direkt auf sie zu, sein Rotschimmelfell glänzte, seine klugen Augen hießen sie willkommen. Sie rannte auf ihn zu und warf ihre Arme um seinen kalten Nacken, bis er mit dem Kopf gegen ihre Seite stieß und wieherte. Dann trat sie zurück und sah ihm in die Augen.
    »Es tut mir leid«, sagte sie.
    Erneut stupste er sie mit dem Kopf an, dieses Mal jedoch ungeduldig, als verschwendete sie Zeit. Also schwang sie sich auf seinen Rücken. Auf diesem lag nur die alte Decke, die sie in Wooding benutzt hatte. Kein Sattel, kein Zaumzeug, kein Gebiss. Ihr Herz frohlockte. Acton kam zu ihnen herüber und reichte ihr die
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