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Die Hoehle der Traenen

Die Hoehle der Traenen

Titel: Die Hoehle der Traenen
Autoren: Pamela Freeman
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Wiedergutmachung
Blut für Blut.« Er zögerte. »Ich habe auch andere getötet, von meinen eigenen Leuten, um den See zu verteidigen, und auch diesen biete ich Wiedergutmachung. Als Zeichen meiner Reue biete ich mich selbst an.«
    Er stieß das Messer hinab und schnitt sich damit in den Handrücken. Dann streckte er die Hand aus. Acton stellte sich reglos hinter ihn, die Hand auf Baluchs Schulter gelegt, sodass sie gemeinsam Tribut boten.
    Einer nach dem anderen kamen sie zu ihm und nahmen Blut. Einige wenige tranken es, doch die meisten berührten es nur.
    Einer der Geister, es war diejenige, die Ash Doronit genannt hatte, zögerte eine Weile, bis Ash zu ihr trat.
    »Denk daran, es gibt einen neuen Stein in diesem Beutel«, sagte er und zeigte ihr seinen Steinebeutel. »Er besagt Gleichheit. Fairness. Sag, was du davon hältst.«
    Seine Hilfe zu benötigen, ließ sie eine Grimasse schneiden. Dann aber sagte sie: »Was glaubst du, was es bedeutet?«
    »Ich glaube, die Welt verändert sich.«
    »Die Welt verändert sich ständig, und nur selten zum Guten«, sagte sie und ließ dabei ein wenig ihren Charme spielen. Doch sie trat vor und berührte Baluchs Hand mit der ihren und schmierte sich sein Blut ins Gesicht.
    Es waren so viele.
    Das Greinen begann so leise, dass man es fast nicht hören konnte. Es schlich sich in Brambles Kopf, unmerklich, ganz unmerklich, wurde aber mit jedem Geist, der Blut nahm, lauter. Sie schüttelte den Kopf, um es loszuwerden, doch der Klang dauerte an, eine hohe, unangenehme Vibration wie ganz lautes, sehr weit entferntes Schreien. Sie sah, dass auch Safred, Martine und Ash es hörten.
    Baluch wurde bleich, und Ash und Martine rollten einen Fels zu ihm, damit er darauf sitzen konnte.

    Bramble war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte; vielleicht, dass jeder Geist verblassen würde, sobald er das Blut genommen hatte, so wie Geister es nach einem Wiedergang taten. Doch dies geschah nicht. Sie nahmen lediglich wieder ihren Platz im Kreis ein und warteten mit unmenschlicher Geduld.
    Mittlerweile war der Lärm so groß, dass sie Kopfschmerzen bekam. Dann war ihr, als mache sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung aus. Doch als sie den Kopf in die entsprechende Richtung drehte, war dort nichts. Sie ging zu Safred und Martine. Ash gesellte sich zu ihnen, wobei er sich mit den Händen die Ohren zuhielt.
    »Hört ihr das?«, fragte Bramble.
    »Das sind die Seelenfresser …«, erklärte Safred, deren Augen sich von ihrem aschfahlen Gesicht abhoben.
    Bramble überlief es eiskalt. Dies – dies hier – war es, was die Götter gefürchtet hatten. Dies war die Schlacht, die sie gekämpft hatten, gegen einen Mythos, eine Geschichte, mit der man Kinder erschreckte: Sei brav, sonst holen dich nach deinem Tod die Seelenfresser. Wenn die Seelenfresser hier waren, im Land der Lebenden, was hatte das dann zu bedeuten?
    »Sie sind gekommen, als wir am Obsidian Lake waren«, sagte Martine, »aber als du zurückgekommen bist, sind sie wieder verblasst.«
    Bramble sah zu Baluch hinüber. Wann hatte das Geräusch eingesetzt? Als Alder versucht hatte, Thegan zu töten, als die Geister der Soldaten versucht hatten, Saker zu töten, als die Geister einen Gefangenen hatten ausbluten lassen, damit sie nicht verblassten.
    »Die Toten sollten nicht die Lebenden töten«, flüsterte sie. An den Rändern ihres Sichtfeldes verdrehten sich Gestalten. Sie ließ ihre Augen unfokussiert werden und sah sie nun
deutlicher. Es waren entstellte menschliche Gestalten, die so verlängert oder angeschwollen waren, dass sie nicht wiederzuerkennen waren. Abscheu erregend, nach Leben gierend, nach Seele, nach all dem, was sie nicht hatten.
    Safred nickte. »Ich glaube, wenn die Toten in festen Körpern umherziehen und vor allem wenn die Toten die Lebenden töten, dann wird die Barriere zwischen Leben und Tod dünner. Wenn sie dünn genug wird, dann werden sie durchbrechen.«
    »Was wollen sie?« Ash wirkte noch blasser als zuvor, doch er sprach mit fester Stimme.
    »Leben«, sagte Safred.
    Martine wankte, als hätte sie dank ihrer seherischen Fähigkeiten etwas Entsetzliches gesehen. »Sie wollen fressen«, sagte sie. »Alles. Alles Leben. Nicht bloß Menschen. Alles.«
    »Wenn die Geister weg sind«, sagte Bramble, »dann wird die Barriere wieder stark genug sein.«
    »Aber Baluch wird noch sterben«, flüsterte Martine. Sie war aschfahl und klammerte sich an Arvids Hand. »Dieser eine Tod könnte ausreichen, um die Mauer zu
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