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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
Autoren: Jules Verne
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festgefahren hat.
    – Ganz wie der »Repton« auf einer ähnlichen Klippe, schloß Bourcart. Gott sei Dank, ist unser Schiff dabei nicht ebenso zu Grunde gegangen, und ich hoffe noch immer, es wieder flott zu bekommen.«
    So lautete die Erklärung, die Bourcart gab, und der sich Heurtaux, der Doctor Filhiol, der Bootsmann und wahrscheinlich auch der Kapitän King, willig anschlossen. Die beiden Lieutenants sprachen sich darüber nicht aus. Die Anschauung der Mannschaft aber trat bald unter folgenden Umständen zu Tage:
    Um den Fuß des Großmastes gelagert, waren die Leute im Gespräch begriffen. Sie sahen nur eines: daß die Stöße nämlich nicht vom Meere ausgegangen sein konnten, da dieses vollkommen ruhig war, und auch nicht durch die Gezeiten, da während der Ebbe sogar noch weniger Wasser über der Untiefe stand. Die Stöße hatten sich überdies nicht mehr wiederholt, und wenn sich der »Saint Enoch« auch an Backbord ein wenig aufgerichtet hatte, so lag er doch jetzt wieder unbeweglich still. Diese Bemerkungen gingen von dem Harpunier Pierre Kardek aus, der schließlich sagte:
    »Dann muß sich eben die Klippe… ja, dann muß sich die Klippe selbst bewegt haben.
    – Die Klippe? riefen zwei oder drei seiner Kameraden.
    – Sapperment, Kardek, entgegnete der Schmied Gille Thomas, hältst Du uns denn für Landratten, die sich solche Flausen aufbinden ließen?«
    Diese Antwort schien den Nagel auf den Kopf zu treffen. Eine Klippe, die sich bewegte wie eine Boje, die wie ein Schiff auf bewegtem Meere schlingerte und stampfte!… Nein, dergleichen durfte man nicht vor wackeren Seeleuten aussprechen, die über alles, was das Meer betraf, unterrichtet waren. Gewiß hätte kein einziger von diesen zugegeben, daß eine unterseeische Bewegung diese Stelle des Stillen Oceans zum Rütteln gebracht habe.
    »Das erzähle anderen! rief der Zimmermann Ferut. Ich habe ja in meiner früheren Thätigkeit als Maschinist schon allerlei Wunder gesehen, wir sind hier aber nicht auf der Bühne der Großen Oper oder des Chatelet-Theaters. Zeige mir doch einen, der eine Klippe hin und her schütteln könnte, wenn diese nicht gerade aus Pappe oder bemalter Leinwand besteht!
    – Gut abgefertigt, ließ sich der Harpunier Louis Thiébaud vernehmen, nicht einmal ein Leichtmatrose an Bord würde an solche Märchen glauben!«
    Ja, Thiébaud mochte wohl recht haben, doch statt diese immerhin natürliche Erklärung anzunehmen, waren die Mannschaften vielmehr für die unwahrscheinlichste zugänglich.
    Da sagte der Harpunier Jean Durut, und laut genug, daß es Bourcart auf dem Hinterdeck, wo er sich noch befand, hören konnte:
    »Das ist aber noch nicht das wichtigste! Mag die Klippe gewackelt haben oder nicht, uns liegt daran, zu wissen, ob wir von ihr wieder loskommen.«
    Damit traf ja Durut, was allen im Kopfe herumging; natürlich konnte darauf aber keine Antwort gegeben werden.
    »Alle Wetter, fuhr Ferut spöttisch lächelnd fort, nur nicht alle auf einmal reden? Wird der »Saint Enoch« hier für immer und ewig festkleben, wie die Auster an ihrer Bank?
    – Nein, ertönte da eine den Leuten wohlbekannte Stimme.
    – Waren Sie es, Meister Cabidoulin, der eben »Nein« rief?
    – Jawohl… ich!
    – Sie behaupten also, daß unser Schiff schließlich noch flott wird?
    – Ja.
    – Und wann?
    – Wenn das Ungeheuer es will.
    – Welches Ungeheuer? riefen gleichzeitig mehrere Voll-und Leichtmatrosen.
    – Ei nun, das Ungeheuer, das den »Saint Enoch« gepackt hat und ihn in seinen Armen oder Scheeren festhält… das Ungeheuer, das ihn am Ende fortschleppen wird, wenn’s ihn nicht in die Tiefen des Stillen Oceans hinunterzerrt!«
    In diesem Augenblicke kam es den Leuten nicht in den Sinn, Jean-Marie Cabidoulin wegen seiner Kraken oder Seeschlangen zu hänseln. Es schien vielmehr, als habe der Böttcher recht gegenüber dem Kapitän Bourcart, dem Doctor Filhiol, überhaupt gegen Alle, die sich bisher gewehrt hatten, seine Anschauung der Dinge zu theilen.
    Der Meister Ollive rief aber dennoch:
    »Bist Du fertig… alter Schwätzer?«
    Darauf erhob sich ein Murmeln… die Mannschaft hielt offenbar zu dem Böttcher.
    Allen, die ihm zugehört hatten, erschien seine Rede so gut wie ein Beweis. Ein furchtbares Ungeheuer verwüstete diese Meeresgegend, und jedenfalls dasselbe, das die Fischer von Petropawlowsk in Angst gejagt hatte. Dieses Ungethüm hatte die Boote zerschmettert und die Schiffsrumpfe zerstört, von denen man noch treibende
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