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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung
Autoren: Ernst Peter Fischer
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– annahm, dass die Energie, die Atome als Licht abgeben, nicht als kontinuierlicher Strom, sondern in Form von diskreten Einheiten entweicht. Konkret ausgedrückt: Planck führte eine Hilfsgröße in die Physik ein, die er – vielleicht deshalb – mit dem kleinen Buchstaben h bezeichnete und die er sobald wie möglich wieder aus den Gleichungen entfernen wollte, was nichts anderes hieß, dass Planck daran dachte, am Ende seiner Bemühungen das h langsam, aber sicher gegen Null gehen zu lassen, um so zu dem stetigen Strömen der Energie zurückzukehren, das der klassischen Physik selbstverständlich war. Das kleine h schien ihm so wenig Bedeutung zu haben wie der Buchstabe h in dem Wort »Wahn«. Er brauchte diese Hilfsgröße nur als ein vorübergehendes Mittel, um die beiden Halbgesetze zu der Formel zusammenzuschweißen, deren Vorhersagen perfekt mit den experimentellen Daten übereinstimmte. Übrigens lud Planck die mit diesen Messungen bestens vertrauten Physiker der Berliner Universität eigens zu sich nach Hause ein, um ihre Daten bei einer Tasse Tee aus erster Hand zu bekommen und sicher zu sein, hier auch nicht die kleinste Abweichung zu übersehen.
    Das Quantum der Wirkung
    Das Quantum der Wirkung legt fest, wie groß Quantensprünge sind. Plancks Konstante h – der Quantensprung der Wirkung – kann heute extrem genau vermessen werden. Ihr Zahlenwert ist extrem winzig. Er liegt bei ungefähr 6 x 10 -27 (zehn hoch minus siebenundzwanzig) erg·sec, wobei die zuletzt genannte Einheit das Produkt aus der Maßeinheit für eine Energie (erg) und der Sekunde (sec) ist. Die Planck’sche Konstante wirkt jedoch noch viel winziger in der Einheit Joulesekunde (Js), in der sie in den Lehrbüchern und Lexika verzeichnet wird. Dann handelt es sich um den Wert von (ziemlich genau) 6,626 x 10 -34 (zehn hoch minus vierunddreißig) – was auch beim besten Willen unvorstellbar klein bleibt.
    Tatsächlich zeigte sich, dass Planck mithilfe seines Parameters h die Farben des schwarzen Körpers so präzise vorhersagen konnte, wie es sich die Physiker des 19. Jahrhunderts erträumt hatten. Doch ein Gefühl des Triumphes wollte sich bei ihm nicht einstellen, denn der Preis für diesen Erfolg war eine Unstetigkeit in der Natur, die durch das kleine h ausgedrückt wurde, das heute als Planck’sches Quantum der Wirkung zu den fundamentalen Konstanten der Natur gerechnet wird. Das h tat Planck nämlich nicht den Gefallen, am Ende zu verschwinden. Es drängte sich vielmehr nach und nach in die Mitte der Atomphysik. Es nahm immer offenkundiger physikalische Realität an, es verlangte immer mehr Aufmerksamkeit, und zuletzt zwang es die Physiker, eine völlig neue Physik, die Quantenmechanik, aufzustellen.
    Es ist übrigens wichtig, sich klarzumachen, dass es nicht die Energie selbst ist, in der sich das Sprunghafte (Quantenhafte) der Natur unmittelbar ausdrückt. »Quantisiert« ist primär das, was die Physiker »Wirkung« nennen, und damit meinen sie das Produkt aus Energie und Zeit. Wenn man eine so definierte Wirkung mit einer Frequenz multipliziert, hebt sich die Zeit auf, und man erhält eine Energie, und an dieser Stelle bekommt Plancks scheinbar oberfl ächlicher mathematischer Trick seine tiefe physikalische Bedeutung. Die Energie von Licht lässt sich jetzt nämlich berechnen, wenn man seine Frequenz mit dem Wirkungsquantum h multipliziert. Doch so selbstverständlich dieser Zusammenhang heute benutzt wird, so schockierend war er für die Physiker im frühen 20. Jahrhundert. Denn da sich eine Frequenz schlecht für einen Zeitpunkt festlegen lässt – man benötigt ein Intervall, um zu zählen –, musste man annehmen, dass die Energie selbst nicht zu allen Zeitpunkten definiert ist. Diese Einsicht war aber nur schwer mit dem Satz von der Konstanz der Energie zu vereinbaren, der damals zu den Grundpfeilern der Physik zählte.
    Planck kannte diese Schwierigkeiten ganz genau, und er litt darunter, wobei es ihn auch nicht tröstete, dass man ihm dafür den Nobelpreis für Physik verlieh. Als er 18 Jahre nach der Entdeckung des Wirkungsquantums am Ende des Ersten Weltkriegs die Einladung aus Stockholm erhielt, war zwar die physikalische Bedeutung des Quantums deutlicher geworden, doch eine Theorie, die als neue Mechanik die alte von Newton ersetzen konnte, zeichnete sich noch nicht ab. Sie kam erst in der Mitte der 1920er-Jahre zustande, und zwar durch Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger. Bis es so weit war, mussten
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