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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Wissenschaft in Deutschland ruinieren würde. Tatsächlich gelang es ihm, ein Treffen mit dem Führer für den 16. Mai 1933 zu vereinbaren, über das er erst zwölf Jahre später – 1947 als fast 90-Jähriger – etwas zu Papier bringt. Er erzählt dabei von einem Führer, der ignorant, realitätsfern und borniert wirkt und etwas der Art sagt wie: »Unsere völkische Politik wird weder rückgängig gemacht noch abgeändert werden, auch nicht für die Wissenschaftler. Wenn die Entlassung jüdischer Wissenschaftler die Vernichtung der zeitgenössischen deutschen Wissenschaft bedeutet, dann werden wir eben einige Jahre lang ohne Wissenschaft auskommen.« Doch inzwischen zweifelt die Geschichtsschreibung an der Zuverlässigkeit des Berichtes, den Planck von seinem Besuch gegeben hat, und wir müssen wohl an dieser Stelle wenigstens ein klein wenig Abschied von dem heroisierten Bild nehmen, das sich die Nachwelt von der Rolle Plancks im Nationalsozialismus machte bzw. allzu gerne machen wollte.
    Wir wissen, wie traditionsbewusst Planck dachte, und als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft befürwortete er sicher den Satz, den sein Vorgänger Adolf von Harnack 1909 – also in der heilen Welt der Monarchie – formuliert hatte und der behauptete, dass die deutsche Wehrkraft und die Wissenschaft die beiden starken Pfeiler der Größe Deutschlands seien. Planck wird versucht haben, die von ihm vertretene Forschung vor »unsachlichen Beunruhigungen durch Ereignisse der Tagespolitik« zu schützen, um so ihre »im höchsten Sinne nationale Arbeit erfüllen« zu können. Und so erreichte er in dem Gespräch die Zusage Hitlers, über die bis dahin erlassenen Beamtengesetze hinaus nichts zu unternehmen, was »unsere Wissenschaft« erschweren würde. Mit anderen Worten, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft konnte in dem gerade gezogenen engen Rahmen weiterhin eigenständig bleiben und funktionieren, was für Planck – und nicht nur für ihn – beruhigend sein musste.
    Planck hielt auch wenig davon, dass Professoren gegen die nationalsozialistische Politik an den Universitäten und Forschungsinstituten protestierten. Er riet vielmehr mit der Bemerkung ab, dass solche Demonstrationen nicht helfen würden, denn »was jetzt geschieht, ist wie eine Lawine, die den Berg herunterrast; da kann sich kein Einzelner dagegenstellen; man muss warten, bis die Lawine unten angekommen ist, und dann retten, was zu retten ist. Dem Einzelnen bleibt im Augenblick nur die Wahl auszuwandern oder das Unglück mitzuerleiden.« Und er bat seine Kollegen, »trotz aller Misslichkeiten in Deutschland zu bleiben«. Planck fühlte sich seinem Vaterland und seiner Kultur sehr verbunden, und wollte seinen Platz in ihr nicht räumen. Ihn hätte sonst ein anderer eingenommen, was erst recht Unheil über und durch die Wissenschaft gebracht hätte.
    Im Ausland wurde seine Haltung verstanden. Als die Royal Society in London ihre ursprünglich für das Jahre 1942 geplanten Feiern zum 300sten Geburtstag von Isaac Newton endlich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchführen konnten, war Planck der einzige Deutsche, den die Engländer eingeladen hatten. Man schickte eigens eine Militärmaschine nach Niedersachsen, um ihn abzuholen und in die britische Hauptstadt zu bringen. Planck wurde von der Festversammlung voller Bewunderung empfangen – trotz der zeitlichen Nähe des von den Deutschen begonnenen und verlorenen Krieges, der Zahl der Toten und des Ausmaßes der Zerstörungen, die die Völkerschlacht gekostet und mit sich gebracht hat.
    Doch ungeachtet des überwältigenden Empfangs, der Planck in London zuteil wurde, muss es ihm wenigstens einen leichten Stich versetzt haben, als der Zeremonienmeister, der jeden Gast vor dessen Betreten des Festsaals durch Angabe des Namens und des Heimatlands einführte, bei Planck kurz zögerte, bevor er schließlich in den Saal rief: »Professor Planck, representing no country.« Das stimmte sogar für den Augenblick. Denn tatsächlich – das Deutschland, das Planck vertreten konnte, gab es nicht mehr. Aber seine Wissenschaft blühte nach wie vor. Er konnte weiter hoffen, dass sie durch »die wertvollen Schätze ästhetischer und ethischer Art«, die sie zutage fördert, ihren Einfluss auf die Geschichte der Menschen stärken wird.

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Arnold Sommerfeld (1868–1951)
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Der große Lehrer
    »Am 26. April 1951 starb im 83. Lebensjahr in München an den Folgen eines etwa vier Wochen vorher erlittenen Verkehrsunfalls Arnold
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