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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung
Autoren: Ernst Peter Fischer
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sich die Physiker mit dem begnügen, was heute die alte Quantentheorie heißt. Sie ist durch die Tatsache charakterisiert, dass man verstanden hatte, dem Wirkungsquantum einen physikalischen Sinn zu verleihen, und dass man alle Versuche aufgegeben hatte, das Wirkungsquantum in die klassische Physik einzubauen (um es so an den Rand zu drängen).
    Als Meister der alten Quantentheorie ist vor allem Bohr zu nennen, dem wir bald auf den nächsten Stufen der Hintertreppe begegnen werden. Bohr hatte Plancks Quantum nutzen können, um die wichtigste Sache der Welt zu erklären: die Stabilität der Atome und damit die Stabilität aller Materie.
    Die experimentellen Befunden wiesen nach 1910 darauf hin, dass Atome einen positiv geladenen Kern hatten, um den negativ geladene Elektronen kreisten, und die Frage war, wie die Natur verhinderte, dass die Elektronen in den Kern stürzten. Denn eine Ladung, die sich in einem elektrischen Feld bewegt, strahlt nach den Gesetzen der klassischen Physik kontinuierlich Energie ab, und wenn ein Elektron im elektrischen Feld des Atomkerns sich daran hält, konnte es nur dasselbe tun und in den Kern stürzen. Mit anderen Worten: Die Physik konnte nicht erklären, wieso Atome festbleiben und nicht kollabieren. Das heißt genauer, die Physik konnte es nicht ohne die Hilfe des Quantums erklären, das Planck ihr zur Verfügung stellte. Es legte als Bedingung fest, dass die Energie des Elektrons einen Sprung – den heute sprichwörtlichen Quantensprung – tun musste, um seine Lage bzw. seinen Zustand zu ändern. Wenn ein Elektron angeregt war, konnte dieser Sprung spontan in den Grundzustand gelingen. In dem saß es aber fest. Für eine weitere Änderung – etwa eine Bewegung auf den Kern zu – brauchte es einen Anstoß von außen, und solange der ausblieb, passierte dem Elektron nichts. Dann blieb es auf seiner Bahn um den Kern, das Atom konnte stabil sein – und die Welt mit ihm.
Planck und die Feinde der Wissenschaft
    Das eben geschilderte Atommodell geht auf Bohr zurück, und es charakterisiert die alte Quantenversion der Atome, die noch mit anschaulichen Begriffen wie »Umlaufbahn« operiert. All dies musste bald aufgegeben werden, was Planck nicht glücklicher machte, aber hinnahm, weil die neuen Theorien der wissenschaftlichen Nachprüfung standhielten und er nicht seinem eigenen Prinzip zum Opfer fallen wollte. Aktiv hat er sich an den Entwicklungen der neuen Physik aber nicht mehr beteiligt, denn zum einen ging er auf die siebzig zu, und zum anderen hielten ihn immer mehr politische Verpflichtungen von seiner geliebten theoretischen Physik fern. Man brauchte Planck zum Beispiel nach dem Ersten Weltkrieg, um die deutsche Forschung wieder in die internationale Gemeinschaft der Wissenschaftler zurückzubringen; von ihm wurde erwartet, dass er Gelder für die 1920 ins Leben gerufene Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft erst sammelte und dann fair und zukunftsweisend zugleich verteilte. Planck diente seinem Land, wie man es von ihm erwarten konnte. Er wirkte im sogenannten Elektrophysik-Ausschuss mit, der unter seinem Einfluss die theoretische Physik förderte und dabei die große Qualität ermöglichte, die diese Forschungsrichtung in den kommenden Jahren in Deutschland bekommen sollte. Zu den geförderten Physikern gehörte unter anderem Werner Heisenberg, dessen Leben und Leistung in diesem Buch noch zur Debatte steht.
    Plancks exponierte Stellung verlangte oftmals deutliche Stellungnahmen von seiner Seite, wobei vor allem seine deutliche Warnung vor dem auffällt, was er das »spirituelle Element« nannte. Er hielt Autoren wie Oswald Spengler und Rudolf Steiner für »Feinde der Wissenschaft«, die er als seine geistigen Gegner betrachtete, weil sie die Schwierigkeiten der Gesellschaft – von ihnen »Krankheiten« genannt – auf die Hinwendung zu technischen Entwicklungen und die Abkehr von spirituellen Praktiken zurückführten. Planck sah in derartigen Verkündigungen ebensolche Gefahren für die abendländische Kultur wie im aufkommenden Nationalsozialismus. In diesem Fall hoffte er zuerst, die ganze Bewegung unter Hitler sei nur ein Spuk, der rasch verfl iegen würde, doch spätestens im Mai 1933 merkte er, dass konkret etwas geschehen musste. Er bat als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft um ein Gespräch mit Hitler, dem Reichskanzler, um ihn auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass die von den Nazis erzwungene Emigration der Menschen jüdischen Glaubens die
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