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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung
Autoren: Ernst Peter Fischer
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haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren«.
    Mit diesen Worten zitierte Planck Goethe, dem er sich sowohl gedanklich wie stilistisch verbunden fühlte. Plancks Aufsätze, die sich mit Themen wie Wissenschaft und Glaube oder Kausalität und Willensfreiheit befassten, machen bis in die Wortwahl hinein das klassische humanistische Erbe deutlich, das er vertreten und verteidigen wollte. Planck reicht auf diese Weise weit in die europäische Geistesgeschichte zurück, aber er dringt mit seinem wissenschaftlichen und persönlichen Leben auch weit mit ihr nach vorne. Dabei soll es zur Tragik seiner Biografi e gehören, dass sein Land in Trümmern liegt und die deutsche Kultur umfassend vernichtet ist, als er im Alter von fast 90 Jahren in Göttingen stirbt. Die für den Ruin zuständigen Politiker konnte auch der sonst eher zurückhaltend formulierende Planck nur als »Mörderbande«, »Lumpen« und »infame Dunkelmänner« bezeichnen. Sie hatten ihm noch im Januar 1945 unsägliches Leid zugefügt, als sie seinen Sohn Erwin ermordeten, weil er zu den Widerstandskämpfern um Stauffenberg gehört hatte. Es ging Plancks Sohn darum, Pläne für den Aufbau eines Rechtsstaats auszuarbeiten, der nach der nationalsozialistischen Terrorherrschaft auf deutschem Boden errichtet werden sollte. Mit Erwins Hinrichtung verlor Planck das vierte Kind zu seinen Lebzeiten. Sein erster Sohn war bereits im Ersten Weltkrieg gefallen, und seine geliebten Zwillingstöchter sind beide zwischen 1917 und 1919 im Kindbett gestorben.
    Wie hält jemand solch ein Schicksal aus? Wer diese Frage beantworten will, wird bei Planck vor allem den Hinweis geben müssen, dass er seine eigene Person stets hinter übergeordneten Ideen zurücktreten ließ. Für Planck gehörte das, was man oft hochnäsig bis abwertend als preußisches Pflichtgefühl bezeichnet, zu den bürgerlichen Selbstverständlichkeiten, und er bemühte sich darum bis zur Verleugnung der eigenen Person. Weder scheute er in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg den zweistündigen Fußmarsch zur Arbeit, noch zögerte er, bei Dienstreisen die Nacht auf der Bank eines Wartesaals zu verbringen, wenn durch die Infl ation das Geld, das ihm zur Verfügung stand, nicht mehr für ein Hotelzimmer reichte. Dass Planck bei Eisenbahnfahrten niemals die erste Klasse benutzte, sondern sich in der damals noch angebotenen dritten Klasse mit den Holzbänken begnügte, sei hier nur am Rande vermerkt.
    »In den vierzig Jahren, die ich Planck gekannt habe und in denen er mir allmählich sein Vertrauen und seine Freundschaft geschenkt hat, habe ich immer mit Bewunderung festgestellt, dass er nie etwas getan oder nicht getan hat, weil es ihm selbst nützlich oder schädlich sein könnte.« So hat Lise Meitner diese Qualität ihres Lehrers einmal beschrieben. Dabei stand die Verbindung zwischen beiden zunächst unter einem eher unglücklichen Stern, nachdem Planck sich früh im 20. Jahrhundert skeptisch gegenüber dem Frauenstudium ausgesprochen hatte. Doch 1912 stellte er Lise Meitner als Assistentin ein, weil er begriff, welche schöpferische Kraft in ihr zum Ausdruck kam. Planck half ihr nun, wo er konnte, wie er überhaupt sich für andere einsetzte, wenn er deren Talent erkannt hatte. Dazu gehörte auch Albert Einstein, der bis 1905 als völlig unbekannter Angestellter in Bern auf dem Patentamt arbeitete. Selbst nachdem er seine ersten Arbeiten zur Relativitäts- und Quantentheorie publiziert hatte, blieb Einstein ein obskurer Name im Reich der Physik. Erst Planck hat ihn für die Wissenschaft entdeckt, und zwar gleich doppelt: Zum einen hat sich Planck – als Freund – bereits 1906 darum bemüht, Einstein nach Berlin zu holen, und zum anderen hat er sich – als Wissenschaftler – gleich an die Arbeit gemacht und versucht, mithilfe von Einsteins Ideen die klassische Physik Newtons relativistisch zu erweitern (wie es in der Fachsprache heißt).
    Doch trotz der offenkundigen wissenschaftlichen Beweglichkeit schätzte Einstein seinen frühen Förderer Planck leider als stur ein. Der liberale Einstein verstand Plancks konservative Grundhaltung nicht, die ihm weniger demokratisch und mehr aristokratisch zu sein schien. Tatsächlich stand Planck dem allgemeinen Wahlrecht (das es im Kaiserreich in Deutschland noch nicht gegeben hatte) skeptisch gegenüber, denn er sah nicht, wie ein Volk genügend Kenntnisse und Bildung erwerben konnte, um politische Fragen auf der Basis der Vernunft entscheiden zu
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