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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung
Autoren: Ernst Peter Fischer
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schaffen, an dem das wissenschaftliche Werk der Könige im Reich der Physik zu vollbringen war. Aber Sommerfeld gab stets Obacht, ob nicht irgendwo jemand von seiner Arbeit profi tieren und das begonnene Gebäude der Physik so besser oder verlässlicher vollenden konnte.
    Schon als Student in Königsberg hatte sich Sommerfeld für geometrische Methoden in der Physik interessiert und nach und nach die Bedeutung der mathematischen Wissenschaften für die Ingenieure und ihre technischen Aufgaben kennen und schätzen gelernt. Er kümmerte sich bei seinen Forschungen um Probleme von Schwingungen, versuchte die raffinierten Bewegungen von Kreiseln genau zu berechnen und arbeitete als erster Physiker eine elegante Theorie der Reibung aus, die einem bei Schmiermitteln begegnet bzw. dabei gerne im Stich lässt und zum Ausrutschen und zu Stürzen führt.
    Mit diesem mathematischen Rüstzeug aus der sinnlich zugänglichen Wirklichkeit wagte sich Sommerfeld an die submikroskopisch kleine Welt der Elektronen und Atome, wobei ihn vor allem die Frage beschäftigte, ob sich diese Partikel auf ähnliche Weise bewegen können wie Billardkugeln oder Tischtennisbälle. Seine entsprechenden Ergebnisse brachten ihm 1906 den Ruf auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik an der Universität München ein, und von hier aus entfaltete er seine legendäre Wirkung als Lehrer der neuen Physik, die zu dem führte, was seine Schüler gerne die Sommerfeld’sche Schule nannten. Dass darunter keine Institution, sondern eine Gemeinschaft des Geistes zu verstehen ist, versteht sich von selbst.
Umsturz im Weltbild
    Wie heutige Historiker im Rückblick leicht sagen können, vollzog sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts das, was man oft und gerne den Umsturz im Weltbild der Physik genannt hat. Konkret gemeint ist damit das Auftauchen der Quantentheorie von Planck nach 1900 und der Relativitätstheorie von Einstein um 1905 – wobei bemerkenswert ist, dass der Lehrer Sommerfeld bereits 1907 Einsteins revolutionäre Ideen von Raum und Zeit in seine Vorlesungen aufnahm und sie den Studenten vorstellte. Sommerfeld wurde damit nicht nur zu einem der frühen Förderer des zunächst noch unbekannten Einstein. Er sorgte überhaupt dafür, dass die neue Theorie eine erste Breitenwirkung erzielen und von der Forschergemeinde erörtert und akzeptiert werden konnte.
    Dieser Vorgang gehört ebenso zu einer Revolution in der Wissenschaft wie die Generierung der ursprünglichen Idee selbst, auch wenn das oft übersehen wird. Ein neuer Gedanke, der in einem Kopf steckt und da bleibt, kann nicht die Änderung bewirken, die wir als Revolution verstehen. Diese kommt erst mit der geeigneten Verbreitung der neuen Sicht zustande, und daran war Sommerfeld zweimal beteiligt – sowohl bei der Relativitäts- als auch bei der Quantentheorie.
    Wir konzentrieren uns hier auf die Quantentheorie, und die hatte nach den ersten tastenden Schritten von Planck (1900) und Einstein (1905) ihren ersten großen Erfolg, als der dänische Physiker Niels Bohr ein Atommodell vorlegte, das die Stabilität der elementaren Bausteine der Materie mithilfe von Quanten erklären konnte. Wir werden diesen Schritt genauer betrachten, wenn es um Bohr selbst geht, können an dieser Stelle aber schon einmal verraten, dass das berühmte Bohr’sche Atommodell mit seinen wohldefinierten Bahnen der Elektronen um einen Kern herum genauer als Bohr-Sommerfeld-Modell bezeichnet werden müsste. Schließlich hat der Münchener Physiker die ersten Überlegungen von Bohr um die entscheidenden Elemente erweitern können, die für eine bessere Übereinstimmung mit den experimentellen Resultaten sorgte und ihm neben Bohr weltweite Anerkennung unter den Physikern einbrachte.
    Sommerfeld arbeitete seine Beiträge in enger Korrespondenz mit Bohr aus, was zwar aus heutiger Sicht selbstverständlich klingt, aber für die Zeit des Ersten Weltkriegs eine besondere Anmerkung wert ist. Denn während es Physiker gab, die die nationalen Konflikte in den Laboratorien weiter austrugen, vertraute Sommerfeld dem internationalen Charakter der Wissenschaft und pflegte im Krieg dieselben Kooperationen wie in Friedenszeiten.
    Bohrs erste Vorschläge, wie sich das Umlaufen von Elektronen um einen Atomkern berechnen ließ, stammten aus dem Jahr 1912. Ab 1913 machte sich Sommerfeld daran, die ursprünglichen Kreisbahnen um Ellipsen und andere Formen zu erweitern, und er schlug zudem vor, den Zustand eines Atoms durch
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