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Die Himmelsfestung

Die Himmelsfestung

Titel: Die Himmelsfestung
Autoren: Hubert Haensel
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dich vorher aus. Dein Körper muß unbelastet sein.«
    Mythor nickte seufzend und begann, sich seiner Stiefel zu entledigen.
    »He, was soll das?« rief die Krause überrascht.
    »Du hast doch…«
    »Blödsinn. Glaubst du vielleicht, dein Gedächtnis sitzt in den Füßen – dann möchte ich zu gerne erfahren, woher du kommst. Dein Lederhemd sollst du ablegen, mehr nicht.«
    Tildi schüttelte den lehmigen Inhalt der beiden Tiegel in den Kupferkessel, woraufhin der Sud größtenteils verdampfte. Zurück blieb eine breiartige rotbraune Masse, mit der sie Mythors Gesicht und seinen Oberkörper mit seltsamen Symbolen bemalte. Er glaubte, zwischen bizarren Mustern und Linien einen Wolfsschädel erkennen zu können, ebenso wie ein stilisiertes Einhorn und einen angedeuteten Vogel mit ausgebreiteten Schwingen.
    »Du sollst dich ruhig verhalten«, mahnte die Krause. »Alles, was nötig ist, tue ich.«
    Hatten diese drei Tiere etwas mit seiner Vergangenheit zu tun? Mythor konnte sich beim besten Willen nicht entsinnen. Er fühlte sich schläfrig. Tildis beschwörend gemurmelten Worte versetzten ihn in einen unwirklichen Zustand zwischen Traum und Wachen, dem er aus eigener Kraft nicht zu entfliehen vermochte. Ihm war, als solle sein Geist aus dem ihm angestammten Körper herausgesogen werden. Er vernahm ein Flüstern und Raunen wie von einer Heerschar von Dämonen ringsum. Das Blut in seinen Adern schien zu kochen. Mythor krümmte sich vor innerlichen Qualen, doch kein Laut drang über seine Lippen.
    Für seine Freunde hatte sich nichts verändert. Er lag steif und lang ausgestreckt auf dem Stroh, und Tildis Hände glitten beschwörend über seine Schläfen. Ein plötzlicher Luftzug wirbelte den Rauch des erlöschenden Feuers auf. Die Krause wurde erst darauf aufmerksam, als ein dünner Nebelschleier sich herabsenkte. Der Wind nahm an Heftigkeit zu, wirbelte Stroh und Heu auf und ließ sogar den Kupferkessel gegen die eiserne Aufhängung stoßen. Mythors Körper wollte sich aufbäumen und vom Boden lösen. Tildis Zauberformeln wurden lauter, vermochten das losbrechende dämonische Heulen aber nicht mehr zu übertönen. Fest preßte sie ihre Hände auf Mythors Schultern – eine unsichtbare Kraft stieß sie beiseite. Tildi schrie gellend auf. Die Mächte, die sie gerufen hatte, entglitten ihr.
    »Ilfa«, kreischte sie. »Wir müssen ihn am Boden festhalten.«
    Eine Heerschar von Geistern schien sich um Mythors Körper zu streiten. Ilfa, die mit aller Kraft seine Arme umklammert hielt, hatte das Gefühl, die Schultergelenke würden ihr ausgekugelt. Erst Roar ließ sich nicht so leicht abschütteln.
    Das Heulen und Toben erreichte seinen Höhepunkt und flaute dann schlagartig ab. Mythor lag da wie tot.
    »Was hast du mit ihm gemacht?« herrschte Ilfa die Krause an. »Dein Zauber hat ihn getötet.«
    Tildi fuhr herum. »Ich bin nicht schuld daran«, giftete sie. »Womöglich wollte die Vergangenheit deines Freundes ihn zu sich holen.«
    »Pah«, machte Ilfa. »Du kannst deine Unfähigkeit ruhig eingestehen, du…«
    Ein Stöhnen hielt die beiden davon ab, aufeinander loszugehen. Mythors Lider begannen zu flackern. »Barborur«, drang es tonlos über die blutleeren Lippen. »Er schwebt in großer Gefahr…«
    Die Krause Tildi murmelte erneut magische Sprüche.
    »Was ist mit Barborur?« wollte Ilfa wissen.
    Das erschrockene »Still!« des Wurzelweibs kam zu spät. Der Bann über Mythor war gebrochen. Er öffnete die Augen und blickte erstaunt um sich.
    »Und?« ächzte Tildi.
    »Nichts«, sagte er. »Ich fühle nur eine endlose Leere in mir. Aber ich glaube, der Taetz befindet sich in Bedrängnis. Habe ich geträumt?«
    »Vielleicht ein Wink des Schicksals«, murmelte die Krause. »Alles Schlechte besitzt auch gute Seiten. Wir sollten ebenfalls zur Himmelsburg aufbrechen.«

2.
    Wie ein Wirbelwind brachen die Mangoreiter über das friedliche Moor herein. Die Hufe ihrer Pferde wühlten den Boden auf, und das brackige Wasser spritzte mannshoch. Was ihnen in den Weg kam, wurde niedergetrampelt.
    Kreischend flohen Dutzende von Pixies nach allen Richtungen, suchten Schutz hinter den weit auseinander stehenden Bäumen oder in dicht belaubten Büschen. Andere wieder hetzten in panischer Angst tiefer ins Moor hinein, verfolgt von den kalten Reitern, deren Pferde selbst den schmalsten Pfad zu wittern schienen. Der Wald hallte wider von den entsetzten, hilflosen Schreien der verängstigten Wesen vom dröhnenden Gelächter der Mangoreiter
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