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Die Himmelsfestung

Die Himmelsfestung

Titel: Die Himmelsfestung
Autoren: Hubert Haensel
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stieß eine Reihe drohender Knurrlaute aus. Seine Rechte tastete nach dem schweren Kampfhammer, den er in einer Schlaufe an seinem Rückengürtel trug. Mit dem Instinkt des Wilden schien er zu spüren, daß eine gewisse Spannung in der Luft lag.
    »Ruhig bleiben«, redete Mythor auf ihn ein. Roar, der mit seinem Stamm aus einem anderen Bereich ins Aegyr-Land verschlagen worden war, bediente sich einer fremden, gutturalen Sprache, aber er verstand kein einziges Wort Gorgan, und es sah auch nicht so aus, als würde er es jemals erlernen. Mit seinen Begleitern verständigte er sich durch besonders betonte Laute und vor allem durch Zeichen. Der besänftigende Klang in Mythors Stimme verfehlte seine Wirkung nicht.
    »Was ist die Himmelsfestung?« fragte Ilfa. »Hat sie wie Illgord mit den Aegyr zu tun?«
    Tildi, das fünf Fuß große Wurzelweib, fuhr sich mit ihren dicken Fingern durch das struppige und verfilzte Haar, dem sie ihren Beinamen »die Krause« verdankte. Sie galt allgemein als der gute Geist in Hinterwald und war für jeden, der sich hilfesuchend an sie wandte, mit Rat und Tat zur Stelle.
    »Es heißt«, sagte sie, »daß die Himmelsburg von der schönen Aegyr Vailita errichtet wurde, die der Verlust des Geliebten in die Einsamkeit trieb. Ihr haben die Taetze, die schon immer klüger erschienen als andere Tiere, die Gabe der Sprache zu verdanken. Sie halfen beim Bau der Festung und blieben auch, als der letzte Aegyr ging, um den anderen seines Volkes zu folgen.« Abrupt, als bereite ihr die Vergangenheit Unbehagen, wandte die Krause Tildi sich an Mythor: »Nimm den Kupferkessel und folge mir.«
    »Und Roar und ich?« begehrte Ilfa auf.
    »Ihr bleibt in der Höhle und haltet ungebetene Besucher fern. Oder liegt dir nicht daran, daß ich mich für ihn einsetze?«
    Sie zog Mythor kurzerhand hinter sich her, auf den zweiten, schmalen Ausgang zu. In den Stein gehauene, ausgetretene Stufen führten steil abwärts; sie waren feucht und glitschig. An den Wänden gediehen üppige Moose, die herrschende Nässe war für sie der ideale Nährboden.
    Schließlich weitete sich der Stollen. Nachdem zuvor schon das Tosen eines Wasserfalls zu vernehmen gewesen war, fiel nun der Blick ungehindert auf einen unterirdischen Strom, der einige hundert Schritt entfernt aus dem Felsen quoll, die Grotte, in der Tildi und Mythor angelangt waren, in zwei Hälften teilte, und schließlich in Dunkelheit verschwand. Der Anblick, den das Gewölbe bot, war von atemberaubend der Schönheit. Kalksteine hingen als mächtige Stalaktiten von der Decke herab, viele von ihnen so groß, daß ein einzelner Mann sie niemals umfassen konnte. Andere wieder waren von schimmernden Farben durchzogen – vom üppigen Gelb gelösten Schwefels über das Braun verschiedener Erden bis hin zum Rot von Eisen. Bizarre Gebilde wuchsen auch in die Höhe, einige sahen aus wie fremdartige Geschöpfe, und im steten Wechselspiel von Licht und Schatten schienen sie zu unheimlichem Leben zu erwachen.
    Aus der Tiefe des Flusses drang ein warmes Leuchten herauf, das in vielfältigen Spiegelungen durch die Grotte huschte. Wie das weit aufgerissene Maul eines Drachen wirkte die Öffnung, durch die der Fluß in diese unterirdische Welt eintrat, um kaskadenförmig in sein neues Bett zu stürzen. Der feine Sprühregen, der in der Luft hing, durchnäßte rasch bis auf die Haut.
    »Du mußt den Kessel füllen«, ordnete Tildi an. »Und dann sieh dich um. Irgendwo bewahrt Barborur seine Schätze auf.« Was sie damit meinte, stellte sich heraus, als Mythor eine Vertiefung in einem der Stalagmiten entdeckte.
    »Sieh einer an«, spottete die Krause. »Hat der Kerl doch tatsächlich mit seinen ungeschickten Pranken ein solches Versteck geschaffen.«
    Vergeblich versuchte sie, den Inhalt des Steines in Augenschein zu nehmen. Aber sie konnte nur mit den Händen hineintasten. »Mythor, heb mich hoch. Am besten, du nimmst mich auf die Schultern.« Er bückte sich und ließ das wohlgenährte Wurzelweib aufsitzen. Sie tat sich schwer mit ihren kurzen, dicken Armen und Beinen, und er war gezwungen, kräftig nachzuhelfen. Zu kräftig, wie es schien, denn ihr Zetern wurde lauter. Ein eigenartiger, dumpfer Geruch umfing ihn. Zweifellos verströmten die fetzenartigen Kleider, die sie in mehreren Lagen übereinander trug, und die ihr ein nahezu kugelrundes Aussehen verliehen, diesen Hauch von Moder. Aber da war auch das schwere Aroma von Knoblauch und der Duft getrockneter Kräuter.
    »Kannst du
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