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Die Himmelsfestung

Die Himmelsfestung

Titel: Die Himmelsfestung
Autoren: Hubert Haensel
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machte er sich daran, seinen Hut aufzufischen. Bäuchlings auf dem Boden liegend, versuchte er, mit dem Stock wenigstens die breite Krempe zu erreichen. Er mußte sich so weit nach vorne schieben, daß er erneut Gefahr lief, ins Wasser zu stürzen.
    Ein Schatten fiel auf ihn, ohne daß er auch nur das leiseste Geräusch wahrgenommen hätte.
    »Du schaffst es nicht allein, Fryll?«
    Der Schrat erstarrte mitten in der Bewegung. Diese Stimme, dumpf und hohl, kannte er; sie rief ein seltsames Unbehagen in ihm hervor.
    »Hast du mir nichts zu sagen?«
    Zögernd richtete Fryll sich auf, fieberhaft nach einem Ausweg suchend. Er wußte genau, warum Hogun gekommen war.
    »Nein«, stieß er zitternd hervor. »Ich glaube nicht.«
    Der Reiter lachte dröhnend. Er war völlig in Schwarz gehüllt; der Umhang verdeckte sogar seine Beine. Auch sein Gesicht blieb hinter Tüchern verborgen. Aus den schmalen Augenschlitzen blitzte es vernichtend. Fryll spürte die Kälte, die von Hogun ausging.
    »Hast du dein Versprechen vergessen, Mythor an die Hexe Eroice auszuliefern?«
    Vergeblich hielt der Schrat nach einem Fluchtweg Ausschau. Hinter ihm war das Wasser, er wußte genau, daß er dort nicht weit kommen würde. Nur wenn er vor Hogun den Wald erreichen konnte, befand er sich vorerst in Sicherheit. Allerdings hatte er den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als zwischen den Bäumen die drei Reiter auftauchten.
    »Du hast dein Wort gebrochen, obwohl du mit Mythor zusammen warst.« Hoguns Stimme klang gefährlich leise.
    Fryll sank sichtlich in sich zusammen. »Ich konnte nicht«, jammerte er. »Mythor ist stärker als ich, er hätte mich getötet, wenn ich versucht hätte, ihn zu hintergehen.«
    »Erbärmlicher Wicht.« Hogun beugte sich über die bebende Flanke seines nachtschwarzen Rappen. Der Schrat streckte ihm abwehrend den Zauberstab entgegen, der sich im selben Moment in eine tückisch zischende Schlange verwandelte. Das Pferd scheute, wollte sich aufbäumen und ausbrechen, aber Hogun hielt es mit eisernem Griff am Zügel zurück, während seine Linke die Schlange unmittelbar unterhalb des Kopfes packte. Das sich windende Reptil erstarrte, und der Reiter ließ es achtlos fallen.
    Fryll warf sich herum, doch er kam nicht weit. Hogun zog ihn mit unbarmherzigem Griff zu sich aufs Pferd. Der Schrat meinte, daß eisige Krallen in sein Fleisch stachen. Sie raubten ihm den Atem und ließen seinen Herzschlag stocken. Verzweifelt versuchte er, freizukommen, aber der Mangoreiter drückte nur um so fester zu. Fryll verspürte Todesangst.
    »Nein«, wollte er schreien, es wurde nur ein gequältes Röcheln daraus. Sein Körper begann zu prickeln, als erstarre das Blut in den Adern. Erst färbten die Hände sich blau, dann die Arme. Fryll würgte krampfhaft. »Ich…« Es fiel ihm schwer, die eisigen Lippen zu bewegen. »Ich… tue alles…«
    Hogun lockerte den Griff ein wenig.
    »Du hast mir einmal dein Versprechen gegeben und mich betrogen.«
    »Ich schwöre«, ächzte Fryll. »Diesmal… schwöre ich. Den Schratenschwur, daß ich… Mythor ausliefern werde.«
    »Beweise es!«
    Fryll zitterte erbärmlich. »Wie kann ich, wenn du mich nicht freigibst?«
    Augenblicke später saß er im Moos und versuchte mühsam, auf die Beine zu kommen.
    »Ich will Taten sehen«, grollte der Mangoreiter. »Wenn nicht, ergeht es dir schlecht. Du weißt, wo Mythor sich aufhält?«
    »Er ist mit der Krause Tildi zusammen. Irgendwo im Hinterwald.«
    »Bringe ihn zu mir. Egal wie, aber bringe ihn mir.« Hinter den Augenschlitzen des vermummten Kriegers funkelte es tückisch. »Und noch etwas: Die Bewohner des westlichen Hinterwalds haben zehn Tage Zeit, ihr Gebiet zu verlassen. Wenn nicht, wird das Verderben über euch alle hereinbrechen.«
    »Unmöglich«, stieß Fryll hervor. »Weshalb sollen wir unsere Heimat aufgeben?«
    »Weil ich es so befehle.« Hogun trat seinem Rappen in die Flanken, daß dieser wiehernd auf der Hinterhand hochstieg. Fryll, der sich soeben aufrichtete, mußte hastig zurückweichen, wollte er nicht von den Vorderhufen erschlagen werden. Zu spät entsann er sich, daß hinter ihm nur Wasser war. Mit den Armen rudernd, klatschte er rücklings in den See und versank.
    Als er wieder auftauchte, waren die kalten Reiter verschwunden. Der Nebel hatte sich inzwischen gänzlich aufgelöst. Fryll war fast zu schwach, um ans Ufer zu klettern. Lange Zeit saß er nur da und sog gierig die frische, würzige Luft in seine stechenden Lungen.
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