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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut
Autoren: Astrid Fritz
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für Gott und den Kaiser zu kämpfen und die Rechte aller Stände zu verteidigen. In Phillips Ohren hatte das indessen wie Hohn geklungen.
    Das Schlagen der Saaltür ließ ihn zusammenschrecken. Er fuhr herum.
    «Wighart! Was für eine Überraschung!»
    Phillip hätte nicht behaupten können, sich über das Wiedersehen zu freuen. Das letzte Mal, als Wighart auf der Burg erschienen war, hatte er sogleich einen heftigen Streit mit Kilian angezettelt. Es war um dessen Vorhaben gegangen, neues Blut in die Zucht zu bringen. Kilian wollte einen Hengst der hiesigen Wälderpferde anschaffen, jener zähen, schweren Füchse, die oben im Wald zum Holzrücken herangezogen wurden. «Damit unsere Pferde aussehen wie Bauernzossen?», hatte Wighart gehöhnt und am Ende die Faust auf den Tisch gedonnert: «Das verbiete ich dir als künftiger Herr auf Holderstein!»
    «Was führt dich nach Hause?», fragte Phillip ihn jetzt in gespielter Freundlichkeit. Sein Bruder grinste nur über das kantige Gesicht, mit einem Ausdruck, der zu sagen schien: Was geht’s dich an? Lässig warf er seinen Hut auf die Tischplatte und schenkte sich von dem Rotwein ein, der dort immer für Gäste bereitstand.
    «Komm her, Kleiner, trink einen Schluck mit mir.»
    Phillip hasste es, von ihm «Kleiner» genannt zu werden. Dennoch trat er an den Tisch, nahm den halbvollen Becher entgegen und trank ihn in einem Zug leer.
    Wighart schenkte nach. «Du wirst mich künftig öfters hier sehen. Wird Zeit, dass ich meine Burg und mein Erbe in Besitz nehme. Falls dir das also nicht passt, solltest du dir baldmöglichst einen Dienstherrn suchen.»
    Phillip kniff die Augen zusammen.
    «Bist du nicht mehr Berthold von Baach verpflichtet?»
    «Nein, und deshalb werd ich auch mein Domizil
hier
aufschlagen. Aber keine Angst, Kleiner», er schlug Phillip hart auf die Schulter, «ich werd euch nicht Tag und Nacht auf der Pelle sitzen. Ich hab mich nämlich dem Raueneck angeschlossen, und da werden wir viel unterwegs sein.»
    Bestürzt starrte Phillip ihn an. Dass es so weit kommen würde, hatte er immer befürchtet. Ritter Franz von Raueneck verdiente sein Brot bekanntermaßen durch Wegelagerei und Brandschatzungen und hatte sich weit über die Ortenau hinaus einen Schreckensruf erworben als wahrer Blutzapfen.
    «Du meinst nicht etwa Franz von Raueneck, diesen Strauchritter und Malefizkerl?»
    Sein Bruder lachte laut auf.
    «Das ist doch alles nur dummes Neidgeschwätz! Raueneck und seine Mannen bieten sich den Kaufherren als Schutztruppe an.»
    «Mag sein. Aber in erster Linie geht er auf Rachefeldzüge gegen die eigenen Standesgenossen.»
    «Du schwatzt daher wie ein Blinder von der Farbe, du halber Ritter. Hast keine Ahnung von der Welt da draußen.» Wigharts Tonfall war ärgerlich geworden. «Was hältst du da eigentlich die ganze Zeit in der Hand?»
    «Das geht nur Vater was an.»
    «Du vergisst, dass ich der Älteste bin. Was Vater angeht, geht auch mich was an. Also, was ist das?»
    «Die Entlassung von den Franziskanern.»
    Wieder verzog Wighart den Mund zu einem breiten Grinsen. «Aha! Dann ist dir die Schule also zu schwer geworden? Hätt ich mir denken können.»
    «Das sagt gerade der Richtige. Über dich ist doch unser Burgkaplan schier verzweifelt. Hast ja nicht mal den Ablativus vom Accusativus unterscheiden können.»
    «Na und? Wozu brauch ich das als Ritter? – Los, gib her!»
    Wiederwillig überließ Phillip ihm das Schreiben. Wighart zog das Band ab und entrollte das Papier.
    «Ich glaub es nicht!», rief er aus, nachdem er das Schreiben mit halblautem Gemurmel durchgelesen hatte. Er warf es Phillip vor die Füße.
    «Mein kleiner Bruder hat sich der Lutherey verschrieben! Da wird unser Vater aber in Begeisterung ausbrechen, dass du diesem Mönchlein aus Wittenberg nachplapperst.»
    Phillip bückte sich nach der Papierrolle. Von wegen nachplappern! Etliche Stunden hatte er damit verbracht, Luthers
Sermon von Ablass und Gnade
aufmerksam zu studieren und sich hierzu seine eigenen Gedanken zu machen. Aber dieses seinem Bruder auseinanderzusetzen war Perlen vor die Säue geworfen. Je älter sie wurden, desto tiefer tat sich der Graben zwischen ihnen auf.
    «Weißt du was?», sagte er leise. «Auch dir könnte es nicht schaden, hin und wieder den Verstand einzusetzen statt immer nur Faust oder Schwert.»
    Damit verließ er den Saal. Die Freude über den bevorstehenden Sommer mit Antonia hatte einen schalen Beigeschmack bekommen.
     
    «Potzhundertgift –
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