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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut
Autoren: Astrid Fritz
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schürte.
    «Geht es meiner Mutter wieder schlechter?»
    «Ja, Herr. Sie liegt im Bett.»
    Es war nichts Neues, dass sich seine Mutter mitten am Tag in ihre dunkle Kammer zurückzog. Niemand nahm es mehr so recht ernst, wenn sie über all ihre Zipperlein klagte. Mal zwickte es hier, mal brannte es dort, heute konnte sie ihre Finger nicht mehr bewegen, morgen ihren Hals. Weder der Dorfbader noch der studierte Offenburger Stadtarzt, der hin und wieder vorbeischaute, vermochten die Ursachen ihres Leidens zu finden. Und so schrieb man es letztendlich ihrem schwarzgalligen Gemüt zu, das seit Almuths Geburt von ihr Besitz ergriffen hatte.
    «Ist mein Vater immer noch unten in der Mühle?»
    «Ja, Herr. Aber zum Essen will er zurück sein.»
    Phillips Blick fiel auf die goldenen Sporen und den Kampfgürtel seines Vaters, die neben dem Kamin an der Wand hingen und dort verstaubten – nutzlos gewordene Insignien seiner Ritterwürde. Jedes Mal, wenn er sie betrachtete, tat ihm sein Vater leid. Der verwand nur schwer, dass ihr Dasein in nichts mehr dem ihrer Ahnen glich, die noch ganz im Glanz ritterlicher Lebensart zu großartigen Tanzfesten und Turnieren geladen hatten. «Die alte Ritterseligkeit ist vorbei», pflegte er in letzter Zeit zu klagen, kaum hatte er einen Becher zu viel getrunken. «Vorbei und vorüber mit dem Tod des letzten wahren Ritters, unseres Kaisers Maximilian – Gott hab ihn selig!»
    Dabei lag auch Markwart von Holdersteins letzter Auftritt als wagemutiger Kämpfer und Krieger viele Jahre zurück und hätte ihm fast das Leben gekostet: Ein Streitross der Pfälzer hatte ihn bei der Schlacht vor Landshut unter sich begraben. Nur durch Gottes Hilfe und das Geschick des Feldschers war er seinen Verletzungen nicht erlegen, doch seither zog er das linke Bein nach.
    Dass er fortan keine Heerfolge mehr zu leisten vermochte, war das eine. Viel mehr indessen bedrückte ihn, dass schon unter seinen Vorvätern der Umfang ihrer Güter und Grundherrschaften immer geringer geworden und mittlerweile zusammengeschrumpft war auf Burg und Gestüt, auf das Dörfchen Unterthann, auf die Kornmühle, den Rebhof mit seinen Weinbergen, drei Weiler oben im Wald und einige Einödhöfe in den Seitentälern des Durenbachs. Von ihrer Gemarkung im Rheintal waren ihnen nur ein paar Tagwerk an Ackerland, Matten und Wiesen geblieben, was gerade so reichte, um ihren Bedarf an Korn und den ihrer Tiere an Futter zu decken.
    In alten Zeiten hatte die Feste Holderstein noch zu den zahlreichen Burgen im Land gehört, die die Schwarzwaldübergänge sicherten. Doch seitdem die Edlen von Hohengeroldseck die wichtigen Handelsstraßen überwachten und instand hielten, hatte ein Teufelskreis eingesetzt. Die Herrschaft Holderstein, an einer Nebenstrecke gelegen, verfiel der Bedeutungslosigkeit, wurde zerrieben zwischen den so viel mächtigeren Herrschaften wie den Markgrafen zu Baden, den Habsburgern und den Fürstenbergern, den Bischöfen zu Straßburg, den Geroldseckern und noch etlichen Ritterschaften dazu. Ihre Einnahmen an Schutzgeldern und Wegezoll versiegten, Höfe und Gewanne wurden erst verpfändet, schließlich verkauft, was wiederum die Einkünfte aus den bäuerlichen Abgaben noch weiter verringerte. Am Ende war ihnen lediglich der Stolz geblieben, freier Reichsritter zu sein, nur dem Kaiser zu Gehorsam.
    Wahrscheinlich wären die Holdersteiner wie so viele Ritter dieser Zeit längst vollends auf den Hund gekommen und würden als Glücks- und Strauchritter unter Berufung auf das alte Fehderecht anderen Rittern nachstellen oder gar Fuhrleute und Pilger ausrauben – wäre da nicht ihre glückliche Hand für die Pferdezucht gewesen.
    In der dritten Generation nun schon betrieben sie eine kleine, aber erlesene Zucht. Ihre Pferde waren kräftig und wendig zugleich, dazu ausdauernd und unerschrocken. Sie taugten damit gleichermaßen für den Kriegsdienst wie für die Arbeit auf dem Feld. Markwart von Holderstein hatte seine drei Söhne nie darüber im Unklaren gelassen, wem sie diesen Erfolg zu einem gut Teil zu verdanken hatte, nämlich Antonias Familie. Antonias Urgroßvater war noch Freibauer droben auf Oberthann gewesen. Nachdem er sich auf Seiten der Holdersteiner in einer Fehde große Verdienste erworben hatte, hatte man ihn in den Stand eines Edelknechts erhoben und ihm den gepachteten Grund zu freiem Eigen übergeben. Damals hatte er begonnen, Pferde zu züchten, im Auftrag der Holdersteiner, und seinem Sohn schließlich, Antonias
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