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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut
Autoren: Astrid Fritz
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sie beide im Sattel und trabten zum Tor hinaus.
    «Was für eine sauertöpfische Kuh», schimpfte Antonia.
    Phillip lachte. «Sie muss eben auch ihre Pflichten tun. Erst recht, wenn sich hoher Besuch ansagt.»
    «Hoher Besuch!» Antonia schnaubte. «Eingebildete Spieß- und Schildbürger sind das, dieser Wertheimer und sein Sohn. Das dritte Mal schon kreuzen sie hier auf.»
    «Dann muss es ja ernst sein mit den Heiratsabsichten.»
    «Leider. Ich würde Katharina was Besseres gönnen als diesen Adalbert. Hast ihn mal gesehen? Ein aufgeblasener fetter Kerl ist das, und hält sich dabei für das schönste Mannsbild von Offenburg.»
    «Ich kenne die Wertheimer-Sippe. Wir beliefern sie mit Wein. So schlecht hat es deine Schwester mit denen gar nicht getroffen.»
    Antonia biss sich auf die Lippen. Genau so dachte Katharina auch. Die freute sich jetzt schon auf ihr künftiges Leben in der Reichsstadt Offenburg, wo die Wertheimers eines jener vornehmen, in bunten Farben verputzten Patrizierhäuser an der Marktstraße bewohnten und wo ihrer Meinung nach mehr Abwechslung geboten wurde als in ihrem stillen Tal. Oft genug hatte ihre Schwester gejammert, was für ein elendes Bauernleben sie hier führten, auf diesem Hof, wo im Haus die Hühner umherflatterten und es draußen nach Schweine- und Pferdemist stank. Wo sie als Haustochter nicht viel mehr als eine Küchen- und Hausmagd war und nachts auch noch mit dem Kammerfräulein das Bett teilen musste. Dabei war Katharina undankbar. Sie konnte schließlich froh sein, nicht oben auf der engen, zugigen Burg zu leben, wo im Hochsommer das Wasser versiegte und im Winter der eisige Bergwind durch die Fensterlöcher pfiff. Oder im Dorf, in einem der windschiefen, armseligen Häuschen hinter dem Palisadenzaun, wo nach starken Regenfällen alles in Matsch und Tierkot versank. Sie bewohnten immerhin ein Steinhaus, in dem es unter dem Dach sogar zwei Schlafkammern gab und für das Gesinde eigens einen Raum über den Stallungen. Und überhaupt stank es hier gar nicht, schon gar nicht nach Schweinen, denn sie hatten nur Hühner, ein Joch Ochsen und zwei Milchkühe. Und der Pferdemist duftete wunderbar nach Heu.
    «Was schaust du so grimmig?» Phillip lenkte seinen glänzenden Rappen auf den Feldweg, der kurz vor dem Bachübergang in Richtung Wald führte. «Machen wir am besten die kleine Runde zum Drachenfels. Wir haben deinem Vater versprochen, dass wir bald zurück sind.»
    Vom Rheintal wehte ein feuchtkalter Wind herauf, und Antonia zog sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf.
    «Musstest du wirklich in den Karzer?»
    Phillip winkte ab. «Nur für zwei Tage. Ich hab’s überlebt, wie du siehst.»
    «Aber – was hast du so Schlimmes getan?»
    «Ich hab mich mal wieder mit dem Bruder Magister angelegt.»
    «Und warum?»
    «Nun ja, ich hatte ihm gesagt, dass der Ablassbrief nicht dem Seelenheil des Käufers dient, sondern dem Protz und Prunk der päpstlichen Paläste. Außerdem ist es wider die Heilige Schrift, dass klingende Münzen statt frommer Werke den Sündenerlass bewirken sollen.»
    «Das hast du wahrhaftig gesagt?»
    «Es entspricht der Wahrheit. Das ewige Seelenheil darf kein Geschäft sein zwischen Mensch, Kirche und dem Herrgott. Gottes Gnade ist vielmehr ein Geschenk an den, der glaubt.»
    Antonia brachte ihr Pferd zum Stehen. In ihrem Kopf begann es zu schwindeln.
    «Wie kommst du nur auf solche Gedanken? Das ist Lästerung gegen den Papst und die heilige Kirche.»
    «Es sind die Gedanken eines klugen Mannes. Er heißt Martin Luther, ein Augustinermönch und Bibelgelehrter. Überall in den Städten machen Flugschriften von ihm die Runde, in deutscher Sprache fürs Volk geschrieben. Leider haben sich seine Traktate noch nicht bis hierherauf verirrt. In der Stadt sind sie an jeder Ecke für fünf Weißpfennige zu haben.»
    «Du machst mir Angst. Wer solcherlei Dinge ausspricht, begibt sich in Gefahr. Du siehst doch selbst: Nur ein paar Worte, und du landest im Karzer.»
    Philipp grinste breit. «Oder in der Freiheit.»
    Er trabte seinen Rappen an und bog in ein kleines, mit Waldmeister bestandenes Seitental ab. Im Mai war es hier, als würde man auf einem weißen Teppich wandeln.
    «Das verstehe ich nicht!» Antonia hatte Mühe aufzuholen.
    «Ich sag’s dir oben. Lass sehen, wer zuerst am Drachenfels ist.»
    Damit gab er seinem Pferd die Sporen und preschte los. Mit seinem kräftigen, großen Rappen konnte Antonias zierliche Stute kaum mithalten, sosehr sich das Tier auch
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