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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut
Autoren: Astrid Fritz
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unbeholfen handhabte und mit seinem misstönenden Gesang eher Lacherfolge erntete als Beifall.
    Vielleicht waren es gerade diese Jahre gewesen, die ihre Bande vor allem zu Phillip immer enger hatten werden lassen. Jetzt musste sie schmerzhaft erkennen, dass diese Zeit dem Ende zuging.
    Auf dem Kirchhof verabschiedete sich Kilian.
    «Warte noch.» Antonia hielt ihn am Arm fest. «Weißt du vielleicht, wohin Phillip nach dem Sommer gehen wird?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein.»
    «Warum musst
du
eigentlich nicht fort, zum Dienst als Knappe? Du bist doch zwei Jahre älter als Phillip.»
    «Weißt du es denn nicht?»
    «Nein, was?»
    «Ich soll eines Tages die Pferdezucht übernehmen. Dein Bruder Bernward will nicht, obschon es an ihm wäre, in die Fußstapfen eures Vaters zu treten.»
    Unwillkürlich blickte Antonia hinüber zum Kirchenportal, wo Bernward gerade auf ihren Vater, den er inzwischen um Kopfeslänge überragte, einredete. Dass ihr Bruder nicht allzu geschickt mit Pferden umging, war ihr schon früh aufgefallen. Vor vier Jahren nun hatte er dem Vater tatsächlich die Erlaubnis abgerungen, an der Artistenfakultät zu Freiburg zu studieren, hatte ihm aber versprechen müssen, nach dem Magister heimzukehren. Ganz offensichtlich wollte Berward dieses Versprechen nun brechen, was auch die gereizte Stimmung zwischen Vater und Sohn bei Bernwards letzten Besuchen erklärte.
    «Dann kommt er nicht zu uns zurück?»
    «Nein.»
    «Was soll das heißen?»
    «Er bleibt an der Universität, will die Medizin studieren. Hat sogar eine Empfehlung von einem berühmten Professor dort, den mein Vater kennt. Ein gewisser Bernhard Schiller von Herdern.»
    Nach dieser ungewöhnlich langen Rede verschwand Kilian in Richtung Seitenpforte.
    Antonia sah ihm nach. Ihre Stimmung an diesem verregneten Sonntag war nun vollends verdorben. Alles um sie herum löste sich auf, nichts schien mehr Bestand zu haben: Ihr großer Bruder würde im fernen Freiburg bleiben, bald würde Phillip fortgehen, und Katharina sollte demnächst heiraten. Ja, sogar Magdalena war offenbar schon ein Bräutigam zugedacht, und sie selbst war wahrscheinlich als Nächstes an der Reihe.
     
    Am dritten Wochenende nach Ostern kam Phillip endlich wieder nach Hause, diesmal bereits am Sonnabend gegen Nachmittag. Er platzte mitten hinein in die Vorbereitungen zu einem Festessen: Katharinas Bräutigam und dessen Vater hatten sich angesagt, wollten sogar über Nacht bleiben und am nächsten Morgen das Hochamt mit ihnen besuchen. Der Unterricht bei Fräulein von Fleckenstein war eigens wegen der Gäste abgesagt, stattdessen halfen die Schwestern, den Wohnraum auf Hochglanz zu bringen. Sie kehrten das alte Stroh vom Fußboden, entfernten die Spinnweben aus den Ecken und polierten das Essgeschirr, während die Mägde körbeweise Eier und Gemüse in die Küche schleppten. Von dort drang schon ein verführerischer Bratenduft heraus. Alles sollte vom Feinsten sein und blitzen und strahlen, wenn Katharinas Zukünftiger eintraf. Und schon bald danach, zu Pfingsten, war für Magdalena der Oberkircher Land- und Gerichtsschreiber Birkelnuss mit Frau und Sohn bei ihnen eingeladen – ihrem Vater konnte es plötzlich gar nicht schnell genug gehen, seine Töchter zu verheiraten!
    Es war das Kammerfräulein, das Phillip auf sein stürmisches Klopfen hin die Tür öffnete und eintreten ließ.
    «Ah, der Junker von Holderstein! Wenn Ihr zum Hausherrn wollt – der ist im Pferdestall.»
    «Ich wollte eigentlich zu Antonia.»
    Phillip strich sich das vom Wind zerzauste Haar aus dem Gesicht und schenkte Antonia, die gerade den riesigen Eichenholztisch mit Baumöl einrieb, ein Lächeln.
    Das Fräulein runzelte die Stirn.
    «Ihr kommt etwas ungelegen, Junker Phillip. Wir erwarten den Kaufherrn Wertheimer zu Besuch, mit seinem Sohn. Da brauchen wir jede Hand.»
    Antonia ließ den Lappen sinken und verzog das Gesicht. Wenn es nach Fräulein von Fleckenstein ging, kam Phillip
immer
ungelegen. Das Fräulein missbilligte nämlich ihre Freundschaft zutiefst, da Antonia ihrer Ansicht nach aus dem Alter heraus war, mit einem jungen Burschen durch die Gegend zu ziehen. «Unschicklich» nannte ihre Lehrerin und Erzieherin das.
    Ungeduldig trat Phillip von einem Bein aufs andere. «Bitte, nur auf eine Stunde. Die Pferde stehen schon gesattelt vor der Tür.»
    «Ich werde Vater fragen», beschied Antonia und schlüpfte an dem Kammerfräulein vorbei zur Tür hinaus.
    Keine Viertelstunde später saßen
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