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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut
Autoren: Astrid Fritz
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dann entspannten sich ihre Züge, der Blick ging ins Leere, und ihr Antlitz mit der hellen Haut, dem fein geschwungenen Mund und der geraden Nase unter der hohen Stirn schien wie verklärt von einem jenseitigen Licht. In diesen Momenten der Entrückung mochte man sie ansprechen oder berühren, wie man wollte – für die Welt war sie etliche Atemzüge lang nicht mehr erreichbar.
    Antonia erinnerte sich noch genau, wie ihr Vater, ansonsten ein gutmütiger Mensch, einmal beim Sonntagsessen nach dem Kirchgang die Faust auf die Tischplatte hatte krachen lassen.
    «Willst du uns zum Narren halten, oder was? Ich habe dich etwas gefragt und erwarte gefälligst eine Antwort.»
    Magdalena war bei dem Faustschlag zusammengezuckt und hatte zu weinen begonnen.
    «Es tut mir leid, Vater. Ich hatte Euch nicht gehört.»
    Am Ende hatte Albrecht von Oberthann noch einen lautstarken Streit mit ihrer Mutter vom Zaun gebrochen, vor den Augen der Kinder und des Gesindes, und dabei seiner Frau vorgeworfen, sie mache das Kind mit ihrem Glaubenseifer noch völlig verrückt. Magdalena solle sich gleich ihren Schwestern in den Tugenden der Haushaltsführung üben und den Kirchgang auf die Sonn- und Feiertage beschränken. Ansonsten werde er sie, wenn das mit ihrer Schwarmgeisterei so weitergehe, in ein fremdes Frauenzimmer geben.
    Doch Antonias Schwester ließ sich nicht beirren und trug fortan ihren vollen Namen Maria Magdalena wie eine Bestimmung. Was Antonia einigermaßen lächerlich fand, schließlich hörte sie auf diesen Namen einzig und allein deswegen, weil sie am Magdalenentag getauft worden war. Jedenfalls durfte sie künftig niemand mehr Lena nennen, außer Antonia.
    Nach Mutters Tod, über den Magdalena von allen Geschwistern am wenigsten hinwegkam, hatte sie sich nur noch mehr in den Glauben vertieft. Sie ging weiterhin täglich zur Kirche, und an den Hochfesten verteilte sie an vorbeiziehende Bettler kleine Almosen vor dem Tor des Gestüts, ohne die alte Köchin oder den Vater um Erlaubnis zu bitten. Anstatt mit den anderen Kindern beim Blindekuhspiel, Fangen oder Verstecken herumzutoben, kauerte sie nach der Arbeit unter der Linde im Hof und erfand ihre eigenen Spiele. Aus Hölzchen und Steinchen wurden Eroberer und Glaubensstreiter, die den Sarazenen im Morgenland oder den Wilden in der neuen Welt Gottes Wort nahebrachten. Hin und wieder überredete sie Antonia dazu mitzumachen, wenn sie sich, mit einem Blumenkranz auf dem umschleierten Kopf, in eine Jungfer von hohem Geblüt verwandelte, die in fernen Ländern gegen böse Barbaren kämpfte und am Ende den Märtyrertod erlitt. Wobei Antonia abwechselnd die Rolle des Barbaren oder des edlen Kreuzritters geben musste und dies anfangs sogar mit einiger Begeisterung tat.
    Einmal waren sie hierzu ins Land der Mauren gewandert, von dem Magdalena wusste, dass es hinter den Schwarzwaldbergen lag, waren das Tal hinaufmarschiert, bis sie vom Weg abkamen und in den dunklen Tann gerieten. Oben bei der alten Wolfskapelle waren sie von der Dunkelheit überrascht worden. Hatten sich zu Tode gefürchtet vor dem spitzbärtigen Moospfaffen, der hier in den Wäldern nachts herumgeisterte mit seinem Pilgerstab und moosbewachsenen Hut, und erst recht vor den Wölfen, deren schauerliches Geheul sie schon bald überall zu hören glaubten.
    Vielleicht hätten sie nie wieder heimgefunden, hätte Bernward sie nicht aufgespürt. Beide waren inzwischen vollkommen durchgefroren und Magdalena fast verrückt vor Angst. Sowohl von Grit als auch von ihrem Vater hatten sie hierauf jede zwei saftige Maulschellen geerntet, und Magdalena hatte ein neues, weniger gefährliches Spiel erfunden: das Spiel um den gottesfürchtigen und entbehrungsreichen Alltag von Nonnen, Mönchen und Einsiedlern. Bevorzugter Schauplatz hierfür war der feuchtkalte Gewölbekeller, in dem der Wein lagerte, oder der kleine Kuhstall, der tagsüber leerstand.
    So herzlich Antonia ihrer um ein gutes Jahr älteren Schwester zugetan war (weit mehr als Katharina, der Ältesten), verlor sie an diesen frommen Anwandlungen doch irgendwann den Spaß und spielte wieder mehr mit den anderen Kindern. Das war denn auch die Zeit gewesen, da Antonia sich lustig zu machen begann über Magdalena und sich hin und wieder an die Spitze der Dorfkinder setzte, um ihrer zu spotten. Das tat ihr zwar hinterher jedes Mal aufrichtig leid, und sie entschuldigte sich bei ihrer Schwester, doch bereits deren sanfte, gütige Art, diese Entschuldigung anzunehmen,
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