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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Buckelquadern ein Adlerhorst klebte. «Sie machen ihre ersten Flugversuche.»
    Deutlich waren die beiden Jungvögel mit ihren auffällig weißen Flügelfedern zu erkennen, die geschickt von Mauervorsprung zu Mauervorsprung segelten.
    «Sie sind also wieder da», stellte sie freudig fest.
    «Sie brüten dort jedes Jahr.»
    «Nein, letztes Jahr nicht», beharrte Antonia.
    Phillip lachte, aber es wirkte erzwungen. «Du hast recht.»
    Sie überließen sich der Stille und beobachteten die Flugkünste der jungen Steinadler. Antonia wusste aus Erfahrung, dass sie ihren Freund nicht bedrängen sollte. Wenn er sein Herz ausschütten wollte, dann musste es von ihm selbst ausgehen. Doch heute mochte sie nicht so lange warten.
    «Was ist mit dir?»
    Phillip verschränkte die Hände ineinander und starrte zu Boden. «Ich geh fort. Schon gleich nach der Heuernte.»
    «Aber – das ist ja bald!»
    «Ich weiß. Nächste Woche fangen wir an.»
    Sein Tonfall, seine zusammengekauerte Haltung verrieten ihr, dass er nicht auf eine der Nachbarburgen gehen würde.
    «Wohin also?», fragte sie leise.
    «Zu den Grafen von Eberstein.»
    «Wo ist das?»
    «Zwei Tagesritte von hier. Im Murgtal.»
    Ebenso gut hätte er von Hispanien oder dem welschen Frankreich sprechen können. Alles, was weiter entfernt als Offenburg oder Oberkirch lag, war für Antonia aus der Welt.
    Phillip erhob sich. «Gehn wir. Ich bring dich auf den Hof zurück.»
    Früher waren sie oft Hand in Hand den steilen Weg hinuntergerannt, immer schneller, bis der Erste von ihnen gestolpert war und sich lachend ins weiche Gras hatte fallen lassen. Doch das war Ewigkeiten her. Seit ihrem Kuss hatte sich eine seltsame Scheu zwischen ihnen eingeschlichen.
    Kaum hatten sie die letzte Kehre des Weinbergpfades genommen, sahen sie den Menschenauflauf, der sich vor dem Bildstock von Sankt Urban, dem Schutzpatron der Weingärtner, gesammelt hatte. Ein Wanderprediger hatte sich also wieder einmal auf den Weg zu ihnen ins Tal heraufgemacht. Diese Männer in ihren zerrissenen Kutten hatten stets großen Zulauf unter den einfachen Menschen, sangen, predigten und beteten sie doch in deutscher Sprache. Schon von Weitem aber bemerkte Antonia, dass etwas nicht stimmte. Anstatt dem Prediger zu lauschen, bedrängten die Männer und Frauen ihn, unter Flüchen und aufgebrachtem Geschrei. Hilflos klammerte sich der Mann im Mönchshabit an einen schweren Handkarren, während sich sein Knecht hinter einen Baum flüchtete. Wie einen Schutzschild hielt er ein großes rotes Kreuz vor sich, mit blutigen Nägeln und einer Dornenkrone daran.
    Phillip pfiff durch die Zähne. «Ein Ablasskrämer!»
    In diesem Augenblick ging der päpstliche Ablassprediger zu Boden, und der Erste prügelte mit einem hölzernen Bengel auf ihn ein.
    «Hau ihn tot, den verhurten Kelchbuben!» – «Der Kuttenfurzer soll sich vorher sein Silber in den Arsch schieben, damit seine Seel’ nicht ins Fegefeuer kommt!» – «Wer reich ist, kauft sich los von der Sünd’, und unsereins kommt in die Höll’.»
    Unter den gut zwei Dutzend Menschen erkannte Antonia einige der Aufrührer vom Gottesdienst. Der mit dem Prügel in der Faust war Sebald.
    «Du musst ihm helfen, Phillip. Sie bringen ihn sonst um.»
    Sie lief schneller und zerrte Phillip am Arm mit sich, mitten hinein in das Gedränge. Von den Seitenwänden des Karrens, auf dem die päpstliche Fahne aufgesteckt war, hingen in grellen Farben gemalte Bildtafeln, die die entsetzlichsten Höllenqualen darstellten: dämonische Teufelsgestalten und arme Seelen, die von ihren Peinigern gerädert, verstümmelt oder aufgespießt wurden. Davor stand eine junge Magd, die mit ihren Holzpantinen gegen eine hölzerne, zur Seite gekippte Lade stieß. Der Deckel sprang auf, und etliche Münzen rollten heraus. Kreischend griff die Magd nach den Münzen und warf sie in die Luft, während andere die Ablasszettel in Fetzen rissen.
    Phillip zögerte. Viel zu lange, wie Antonia fand. Der Mönch lag zusammengekrümmt im Staub, das Gesicht schmerzverzerrt, auf seiner Stirn klaffte eine blutende Wunde. Bevor Sebald erneut ausholen konnte, fiel Phillip ihm endlich in den Arm.
    «Aufhören! Auseinander, bevor ich meine Leute rufe.»
    Da erst schien die Meute wahrzunehmen, wer da mitten unter ihnen stand. Murrend zerstreuten sie sich, und Antonia half dem Geprügelten auf die Beine.
    «Vergelt’s Euch Gott, edler Herr Junker», ächzte der Mann und spuckte einen Schwall Blut aus. «Vergelt’s Euch

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