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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls
Autoren: Jodi Picoult
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sollte.
    »Einen Fünfundsechzigjährigen festzunehmen ist in meinen Augen etwas anderes, als ihm das Leben zu retten«, schnaubte sie.
    Wes faßte sie am Ellbogen und führte sie ein Stück den Flur hinunter. »Dein Vater ist wieder alkoholisiert gefahren, Addie.«
    Hitze stieg ihr in die Wangen. Daß Roy Peabody trank, war in Salem Falls ein offenes Geheimnis, doch letzten Monat war er zu weit gegangen, als er mit dem Wagen die Statue von Giles Corey gerammt hatte, dem einzigen Mann, der der Hexenjagd der Puritaner zum Opfer gefallen war. Roys Führerschein war eingezogen worden. Zu seiner eigenen Sicherheit hatte Addie den Wagen verschrotten lassen. Und ihr Mazda stand sicher geparkt am »Diner«.
    »Er war auf dem Standstreifen von der Route 10 unterwegs, auf seinem Rasenmähertraktor«, sagte Wes.
    »Seinem Rasenmähertraktor«, echote Addie. »Wes, das Ding schafft nicht mal zehn Kilometer pro Stunde.«
    »Fünfundzwanzig, aber darum geht’s gar nicht. Entscheidend ist, er hat keinen Führerschein. Und den braucht man, wenn man auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug fährt.«
    »Vielleicht war es ja ein Notfall…«
    »Das wird’s gewesen sein, Addie. Wir haben nämlich auch eine volle Flasche Wodka beschlagnahmt.« Wes stockte. »Er kam von dem Getränkeladen in North Haverhill und war auf dem Weg nach Hause.« Er betrachtete Addie, die sich die Schläfen massierte. »Kann ich irgendwas für dich tun?«
    »Ich denke, du hast schon genug getan, Wes. Herrje, du hast einen Mann festgenommen, der eine Spritztour auf einem Rasenmäher gemacht hat. Du kriegst bestimmt einen Orden oder so, weil du dich so heldenhaft für die öffentliche Sicherheit einsetzt.«
    »Jetzt aber mal halblang. Ich hab mich tatsächlich für die Sicherheit eingesetzt … und zwar für Roys. Was, wenn ein Laster die Kurve zu eng genommen und ihn überfahren hätte? Was, wenn er am Steuer eingeschlafen wäre?«
    »Kann ich ihn jetzt bitte mit nach Hause nehmen?«
    Wes musterte sie nachdenklich.»Klar«, sagte Wes. »Komm mit.«
    Er führte sie einen Gang hinunter in einen Raum im hinteren Teil des Polizeireviers. Sie sah einen breiten Schreibtisch, an dem ein weiterer Officer saß, eine hohe Theke mit Stempelkissen für Fingerabdrücke und ganz hinten im Dunkeln drei winzige Zellen. Wes berührte sie am Arm. »Ich werde keinen Bericht über ihn schreiben.«
    »Du bist ein echter Märchenprinz.«
    Er lachte und ging zu einer Zelle. Sie hörte die Gittertür aufgleiten wie ein Schwert, das aus der Scheide gezogen wird. »Raten Sie mal, wer hier draußen auf Sie wartet, Roy.«
    Jetzt war die Stimme ihres Vaters zu hören, zäh wie Honig: »Meine Margaret?«
    »Leider nein. Margaret ist schon seit fünf Jahren tot.«
    Sie kamen um die Ecke. Wenn Wes ihn nicht gestützt hätte, wäre ihr Vater gestürzt. Roy Peabody war ein Charmeur, das Haar weiß und voll, und in seinen blauen Augen lag stets etwas Geheimnisvolles. »Addie!« krähte er vergnügt, als er sie sah. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
    Er fiel ihr um den Hals, und Addie taumelte. »Komm, Dad. Wir bringen dich nach Hause.«
    Wes hakte den Daumen im Gürtel ein. »Soll ich helfen, ihn ins Auto zu verfrachten?«
    »Nein danke. Wir kommen schon klar.« In diesem Augenblick fühlte ihr Vater sich schmächtiger und unwirklicher an als Chloe. Sie gingen unsicher, wie Teilnehmer an einem Drei-Beine-Rennen.
    Wes hielt die Tür auf. »Ach je, Addie. Tut mir leid, daß ich dich an deinem Geburtstag herkommen lassen mußte.«
    Sie ging unverdrossen weiter. »Heute ist nicht mein Geburtstag«, sagte sie und führte ihren Vater hinaus.
    Um halb sieben am selben Morgen hatte Gillian Duncan ein Streichholz angezündet und ein Thermometer über der Flamme hin und her bewegt, bis es eine Temperatur anzeigte, die ihren Vater davon überzeugen würde, daß sie wirklich zu krank für die Schule war. So lag sie den ganzen Vormittag im Bett, hörte Alanis Morissette, flocht sich die langen, roten Haare und lackierte sich die Finger- und Zehennägel stahlblau. Obwohl sie schon siebzehn war und sehr gut allein auf sich aufpassen konnte, hatte ihr Vater sich einen Tag frei genommen, um bei ihr zu sein. Einerseits machte sie das wütend, aber andererseits freute sie sich auch insgeheim darüber. Als Chef von Duncan Pharmaceuticals, dem größten Arbeitgeber in Salem Falls, galt Amos Duncan als der reichste und vielbeschäftigste Einwohner im Ort. Aber trotzdem nahm er sich stets Zeit für
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