Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
Vom Netzwerk:
sah danach aus, dass sich die blutigen Auseinandersetzungen nun auch in den bisher verschonten Süden des Reiches ausbreiten würden.
    Anschließend würde sich Hasso nach Regensburg aufmachen, um zum Gefolge seines Vaters zu stoßen. Gerüchte wollten wissen, dass sogar der Kaiser selbst erscheinen würde. Aber das glaubte er nicht – hatte der hohe Herr doch erst im vorigen Jahr dem Allgemeinen Fürstentag, auf welchem man den Wallenstein abgesetzt hatte, die Ehre erwiesen; vermutlich würde er sich dieses Mal durch einen Abgesandten vertreten lassen. Für Graf Ferfried war eine Reise stets ein aufregendes und kompliziertes Unterfangen. Nie konnte er sich entscheiden, was er mitnehmen wollte. Deshalb brachte er bei den Vorbereitungen seinen Diener Raimund und das gesamte Schlosspersonal jedes Mal zur Verzweiflung.
    Da bei einem solchen Treffen jeder der Herren versuchen würde, den anderen an Prunk zu übertreffen, wollte auch Adelheids Vater nur die prachtvollsten Gewänder, die vornehmste Rüstung samt kostbarem Zeremonial-Schwert mit der Klinge aus Toledostahl und den im Griff eingelegten, wertvollen Edelsteinen, sowie die herrlichsten Mäntel, bestickt und gefüttert mit Zobelfellen, mitnehmen – und das mitten im Hochsommer. Und was er an Ketten und Ringen in einer Schmuckschatulle mit sich führte, hätte für ein weiteres Dutzend Vornehme gereicht.
    »Vater bräuchte zehn Hälse und fünfzig Finger, um alle die Preziosen anzulegen, die er dabeihat. Und die Anzahl feiner Stiefel und eleganter, leichter Schuhe reicht für mindestens drei Treffen der Großen«, spottete Hasso, als er seine Schwester Adelheid aufsuchte.
    »Vater macht einen Wirbel, als wäre der Schwede schon in unser Land einmarschiert«, sagte Adelheid leicht verärgert und verdrehte die Augen, worauf sich ihr Bruder bekreuzigte.
    »Da seien GOTT und alle Heiligen vor, Schwester. Wir wollen hoffen, dass Gustav Adolf aufgehalten wird, ehe er den Süden Deutschlands verwüstet. Obwohl ihn viele, die im Geheimen mit dem Protestantismus liebäugeln, mit Freuden begrüßen würden.«
    »Unser Schlossvogt wird uns schon beschützen«, meinte Adelheid etwas spöttisch. Hasso wusste, dass seine Schwester den Verwalter, Anselm von Waldnau, nicht sehr schätzte. Sie empfand den Vierzigjährigen als anmaßend, zugleich aber devot und hinterhältig. Ob der Vogt im Ernstfall in der Lage wäre, das Schloss und seine Bewohner zu schützen, darauf wollte sie es nicht ankommen lassen. Seine Qualitäten als Buchhalter hingegen waren unbestritten; mit Geld konnte er umgehen.
    »Auf meinen Vogt lasse ich nichts kommen«, pflegte der Graf vor Standesgenossen mit stolzem Wohlwollen zu betonen.
    Unter dem gräflichen Schutz lebte in relativem Frieden auch die vielköpfige Sippe des Kaufmanns und Geldwechslers Herschel Grünbaum. Ferfried fragte nicht danach, ob und wie diese Menschen im Einklang mit ihrer eigenartigen Religion lebten. Hauptsache, der jüdische Kaufmann sorgte dafür, dass die alltäglichen Ausgaben des Schlossherrn gesichert waren. Sein Beichtvater, Pater Ambrosius Feyerling, schwieg wohlweislich dazu.
    Herrn Anselms Geiz war sprichwörtlich, er scheute sich auch nicht, seine Herrschaft zuweilen auf halbe Ration zu setzen, wenn es ihm die finanzielle Situation zu erfordern schien. Ferfried vertraute ihm jedenfalls blind. Ob er im Falle eines Angriffs auf die Schlossbewohner allerdings der richtige Mann war, blieb dahingestellt.

KAPITEL 5
    »WAS SOLL DAS HEISSEN? Wer hat das Helen fortgeschafft und wohin? Zum Kuckuck, wer hat den Befehl dazu erteilt?«
    Gräfin Adelheid war kreideweiß. Sie musste sich unbedingt setzen, so durcheinander war sie von dem wirren Gestammel des Knappen Wilhelm von Kirchhofen. Als der junge Mann ihr vorhin Bericht erstattete, war sie beim ersten Blick auf sein entsetztes Gesicht aufgesprungen und hatte dabei aus Versehen das Tuschefass umgestoßen. Die schwarze Flüssigkeit rann nun über das Blatt mit dem hübsch gezeichneten Stechapfel und verdarb es restlos. Auch das noch.
    »Setzt Euch doch, Wilhelm.«
    Sie deutete auf eine Bank gegenüber und forderte ihre herbeigeeilte Zofe Ursula auf, dem Jüngling einen Humpen Bier zur Beruhigung einzuschenken. »Trinkt, Wilhelm, das wird Euch guttun, und dann berichtet mir der Reihe nach«, verlangte sie energisch.
    Adelheid hatte sich wieder unter Kontrolle. Sicher ist alles halb so wild, beruhigte sie sich. Aber tief in ihrem Herzen ahnte sie, dass etwas Schreckliches
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher