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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
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seiner graublauen Augen, war ein Mann der Tat. Obwohl mit Leib und Seele Soldat, liebte er Musik und Fröhlichkeit ebenso sehr wie den Krieg und die Jagd. Sein Jähzorn war berüchtigt, aber gleichermaßen waren sein Charme, sein Mangel an Furcht, sowie sein außerordentlicher Drang nach Wissen bekannt – ein charismatischer Feldherr.
    Im Jahre 1630 hatte er die wohl bedeutendste Entscheidung seines Lebens getroffen: Er war am 26. Juni auf Usedom an der Peenemündung gelandet. Damit hatte er sich entschieden, den Krieg in das kaiserliche Lager zu tragen. Obwohl er seinen Tod geahnt zu haben schien, glaubte er die Pläne der Habsburger, welche die Herrschaft über die Ostsee anstrebten und damit sein Reich bedrohten, abwehren zu müssen – von der bedrohten Freiheit der protestantischen Staaten einmal ganz abgesehen.
     
     
    So war Magdeburg zu einem Bollwerk des Protestantismus geworden und hatte sogar der Belagerung durch Albrecht von Wallenstein, des Herzogs von Friedland, getrotzt. Der in den Diensten des Kaisers stehende Feldherr war schließlich mit seinen Truppen abgezogen und hatte die blühende Hansestadt verschont – in dem sicheren Wissen, deren reiche Ressourcen noch einmal nutzen zu können.
    Aber der Kaiser wollte die Aufständischen mit aller Macht unterwerfen. Und General Tilly, der Gefolgsmann des Bayernherrschers und Kaiseranhängers Maximilian, hatte gehorcht und zudem die schutzlose Stadt nach der Einnahme seiner brutalen Soldateska zur Plünderung und Schlimmerem freigegeben. »Sie zerstückelten die Leichname und schnitten den Frauen Brüste und Köpfe ab«, las Ferfried von Ruhfeld angewidert.
    Die Magdeburger Hölle erreichte ihren Höhepunkt in einem riesigen Brand, der die Stadt buchstäblich auffraß. Abertausende waren dabei erstickt.
    »… sind mit gräulichem, ängstlichem Mordio- und Zetergeschrei viel tausend unschuldige Menschen, Weiber und Kinder kläglich hingemetzelt worden, also dass es mit Worten nicht genugsam kann beschrieben und mit Tränen beweinet werden«, schrieb Graf Ferfrieds Freund Otto Guericke.
    Herr Ferfried von Ruhfeld, Katholik und daher Parteigänger Kaiser Ferdinands II. und Kurfürst Maximilians I. von Bayern, ein Gegner Wallensteins und dezidierter Feind Gustav Adolfs, schauderte, obwohl es Anfang Juni um sieben Uhr abends noch ziemlich warm war.
    Die bleiverglasten Fenster seines Gemachs standen weit offen und erlaubten einen ungehinderten Blick ins weite, blühende Ortenauer Land mit seinen fruchtbaren Feldern und Äckern, Obstbäumen und üppigen Weinbergen.
    Seit dem Spätmittelalter war die Ortenau in mehrere Landesherrschaften aufgeteilt worden. Ein ausgedehntes Hoheitsgebiet war die Landvogtei Ortenau, wo auf der Burg Ortenberg ein kaiserlicher Landvogt residierte. Daneben gab es noch bischöflich-straßburgische Ämter und irgendwo dazwischen lag die rechtliche Position Graf Ferfried von Ruhfelds. Er reklamierte sowohl seine jahrhundertealten Familienrechte für sich, als auch seine Erhebung in den Grafenstand durch Kaiser Maximilian, die eigentlich eine uneingeschränkte Herrschaft über sein Territorium implizierte, und hoffte, irgendwann doch noch die demütigende Oberhoheit des Straßburger Bischofs loszuwerden.
    So weit sein Auge reichte, unterstand zwar alles ihm – aber nur »von des Bischofs von Straßburg Gnaden« -, eine Tatsache, die den Ruhfelder zunehmend erboste. Ferfried war bereits vor Jahren wegen der ungeklärten Rechtslage beim Reichskammergericht in Wetzlar vorstellig geworden. Der Graf von Ruhfeld wollte endlich »reichsunmittelbar« sein, was bedeutete, nur den Kaiser als seinen alleinigen Herrn anzuerkennen. Aber seine Aussichten waren, wie der Edelmann wohl wusste, schlecht. Immerhin war der jetzige Bischof ein Bruder Seiner Majestät des Kaisers...
    Eine liebliche Gegend war es, bisher noch verschont vom Großen Krieg – wie lange noch? Man brauchte kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass der alles verschlingende Dämon Terror seine gewalttätigen Pranken in Kürze auch auf den Süden Deutschlands legen würde. Denn Magdeburg schrie nach blutiger Vergeltung. Wehe dann den Städten und Dörfern, die der Krieg verschlingen würde!
    Aus blühenden Landstrichen würden unfruchtbare Wüsteneien, aus geschäftigen Städten leblose Einöden werden. Wo jetzt noch das feiste Vieh in Ställen und auf Weiden stand, würden bald die hungrigen Wölfe umherstreifen auf der Suche nach leichter Beute.
    Das konnte, das durfte nicht
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