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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
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würde wohl noch lange so sein.
    »Das jüngste Kind, ein neunjähriger Junge mit Namen Matthias, musste die Hinrichtung von Mutter, Großmutter und drei Geschwistern auf dem Scheiterhaufen mit ansehen. Danach hat man das ›Hexenkind‹ mit zwanzig Rutenhieben gezüchtigt. Dabei hat der kleine Matthias noch ›Glück‹ gehabt. Wäre der Knabe nur um ein Jahr älter gewesen, hätte man ihn anschließend mit dem Beil hingerichtet. Das macht man so bei Kindern zwischen zehn und vierzehn Jahren. Bei Kindern unter zehn aber wird ein anderes Verfahren angewendet: Sie werden in ein warmes Bad gesetzt und man öffnet ihnen mit einem scharfen Messer die Adern, damit sie verbluten.«
    Helene von Ruhfeld wurde blass, und Hartwig von Bohlen verstummte erneut.
    »Nun seid Ihr so weit gegangen, Herr Hartwig, dass wir den schrecklichen Rest auch noch hören können«, forderte ihn Graf Ferfried nach einer Weile auf.
    »Der kleine Matthias hat diese Tortur jedoch wie durch ein Wunder überlebt«, fuhr der Gast fort, »weil sich seine Adern immer wieder geschlossen haben und er auf diese Weise nicht viel Blut verloren hat.«
    »Wo ist das Kind jetzt?«, wollte Helene umgehend wissen.
    »Man hat den Buben in ein Kloster am Bodensee bringen wollen, um ihn dort christlich erziehen zu lassen. Aber die Mönche weigerten sich, ›das Hexenkind‹ aufzunehmen. Jetzt wissen die Stadtväter von Konstanz nicht, wohin mit dem Jungen, weil ihn keiner haben will.«
    Helene, der längst Tränen in den Augen standen, sagte sofort: »Ich will den armen Kleinen zu mir nehmen. Dieses bedauernswerte Kind hat so Unaussprechliches mitmachen müssen, dass man ihm einfach eine neue Heimstatt bieten muss, wo es sich als Mensch fühlen kann und nicht als Abfall einer Gesellschaft, die ihm das Schlimmste angetan hat, was man einem Kind antun kann.«
    »Und alles geschah im Namen des HERRN. Mein GOTT, was für eine Welt!«, rief der alte Mönch voll Verzweiflung. »Und die Verantwortlichen leiden gewiss nicht einmal an Schlaflosigkeit, denn sie fühlen sich im guten Glauben, recht getan zu haben.« Graf Ferfried sah angewidert die gegenüberliegende Wand an.
    »Kaum zu glauben, dass ausgerechnet fromme Klosterbrüder dem Knaben so gar kein Mitleid bezeigen«, murmelte der alte Edelmann schließlich und seufzte schwer.
    »Selbstverständlich werden wir das erbarmungswürdige Würmchen bei uns aufnehmen. Gleich morgen in aller Herrgottsfrühe werde ich zwei Boten nach Konstanz schicken, um alles in die Wege zu leiten«, versprach Hasso, der den Gesichtsausdruck seiner Frau wohl verstanden hatte. »Unter deinen Händen, Geliebte, wird der Junge am ehesten das Schlimme vergessen können, was andere an ihm verbrochen haben.«
     
     
    So war die Gräfin Helene von Ruhfeld, ein Jahr ehe noch ihr eigener Sohn, Harald Ferfried, zur Welt kam, Mutter eines »Hexenkindes« geworden, wie man in der Gegend hinter vorgehaltener Hand tuschelte.
    Laut wagte es niemand, den kleinen Matthias zu schmähen, der trotz seiner neun Jahre wie ein Sechsjähriger aussah, mit seiner kleinen, mageren Gestalt und den spindeldürren Ärmchen und Beinchen. Ständig lief das Kind hinter der Gräfin her oder ließ sich von ihr an der Hand führen.
    Viele glaubten, der Junge wäre schwachsinnig, weil er nie ein Wort sprach und niemals lachte. Aber, was verstanden die Leute schon?
    So menschenfreundlich die Heilerin auf Schloss Ruhfeld war, weil sie die Armen grundsätzlich kostenlos behandelte, so fuchsteufelswild konnte die junge Frau werden, sobald ihr Kränkungen »ihres« Sohnes Matthias zu Ohren kamen.
    Dass man sie selbst zeitlebens als »die Hexengräfin der Ortenau« betitelte, störte sie nicht so sehr.
    »Wer meiner Heilkunst bedürftig ist, kommt zu mir, und wer nicht will, soll es bleiben lassen. Ich schere mich nicht um die Meinung der anderen. Wozu habe ich mein Zertifikat von Oudewater?«, sagte sie, sooft ihr Gemahl glaubte, sie trösten zu müssen, wenn wieder einmal ehrabschneiderische Äußerungen gegen sie im Badischen die Runde machten. »Gegen die menschliche Dummheit ist nun einmal kein Kraut gewachsen.«

EPILOG
    MAXIMILIAN VEIGTS TRÄUME sollten sich nicht erfüllen. Seine Beförderung bereits in der Tasche und quasi »auf dem Sprung« nach Innsbruck, streckte ihn die Pest nieder, jene Geißel der Menschheit, die üblicherweise im Gefolge des Krieges aufzutauchen pflegte.
    Es war dieses Mal keine große Epidemie. Nur relativ wenige Personen steckten sich an und
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