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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
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überwiegend kaltes, feuchtes und unfreundliches Wetter geherrscht, und auch der Spätherbst verhieß keine Änderung.
    »Die Witterung passt zur Stimmung im Land«, sagten die Leute.
    »Es ist wahrlich ein Tag, scheußlich genug, um sich von einer Brücke zu stürzen«, sagte der im Allgemeinen stets gut gelaunte Edelmann und lachte. »Da habe ich mir gedacht, ich besuche meinen lieben Freund, Euren Gemahl, und Euch, schöne Dame. Dann würden mir die trüben Gedanken schon vergehen.«
    »Da habt Ihr recht daran getan, Herr Hartwig, wenngleich ich Euch nicht sagen kann, wann mein Gemahl nach Hause kommt. Er ist mit unserem Knecht Frieder in die Wälder geritten, um nach dem Wild zu schauen.«
    »Umso lieber leiste ich Euch Gesellschaft, Frau Helene.«
    In diesem Augenblick aber erschien die kleine Magd mit einem Krug dampfenden Glühweins und drei Silberbechern.
    Auf den fragenden Blick ihrer Herrin gab das Mädchen Bescheid: »Eben ist der junge Herr in den Hof geritten, Madame. Ich dachte mir, Herr Hasso wird über einen Trunk Würzwein gleichfalls sehr froh sein. Im Wald ist es so kalt.«
    »Das war sehr klug von dir, Kleine«, lobte Helene das etwa vierzehnjährige Kind, welches sich sichtlich über die Anerkennung freute.
    Und in der Tat, es dauerte keine fünf Minuten, und der junge Graf betrat die Kleine Halle, in der die Diener ein prasselndes Feuer in Gang gesetzt hatten, um die Abendmahlzeit der Herrschaften angenehm zu gestalten.
    Besonders Graf Ferfried und sein ältlicher Beichtvater Ambrosius Feyerling litten im Spätherbst unter Gliederreißen.
    Heute Abend würde man zu fünft an der Tafel sitzen: Herr Ferfried, Hasso mit Helene sowie der Benediktinerpater und dazu noch Hartwig von Bohlen.
    »Wo befindet sich Madame Salome? Die Gnädige Frau fühlt sich doch hoffentlich wohl?«, erkundigte sich der Gast, nachdem alle Platz genommen hatten, indem er sich an den alten Grafen wandte.
    Ferfried war nicht imstande zu antworten. Er musste sich abwenden, weil ihm Tränen in die Augen stiegen und der junge Mann, welcher offensichtlich nicht Bescheid gewusst hatte über den erneuten Trauerfall, welchen die Familie innerhalb so kurzer Zeit zu verkraften hatte, hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen.
    »Meine verehrte Stiefmutter Salome ist vor zehn Tagen ganz unerwartet im Schlaf verschieden«, antwortete ihm Hasso; »so unaufdringlich und bescheiden, wie es auch im Leben ihre Art gewesen ist, hat sie uns verlassen, um in die Ewigkeit einzugehen.«
    Es war still im Raum, bis Hartwig von Bohlen eine Entschuldigung stammelte und sein Beileid zum Ausdruck brachte. Auch er hatte diese Frau, die das Herz wahrlich auf dem rechten Fleck gehabt hatte, immer sehr geschätzt.
    Ferfried, zum zweiten Mal in seinem Leben Witwer, hatte sich mittlerweile wieder gefangen und blickte dem Gast offen ins Gesicht.
    »Was hat Euch nun wirklich hergeführt, junger Freund?«, wollte er wissen und fasste den Kumpan seines Sohnes seit dessen Jünglingstagen scharf ins Auge. »Ihr seid doch hoffentlich nicht alleine hergeritten?«
    Nein, das hatte Hartwig wohlweislich nicht getan. Wegen der vielen marodierenden Soldaten und nicht wenigen Bauern, die, ihrer gesamten Habe beraubt, sich unter das Mordgesindel mischten, war es nicht ratsam, ohne entsprechende Begleitung durch die Lande zu ziehen.
    »Meine beiden Knechte sind bereits bei den Euren und, wie ich annehme, bestens untergebracht, Herr Ferfried.«
    Erst nach dem Essen rückte Hartwig mit seinem eigentlichen Anliegen heraus. In Wahrheit hätte er lieber mit Ferfried und Hasso alleine gesprochen, aber des Letzteren Ehefrau machte keinerlei Anstalten, den Raum zu verlassen; und so legte der Besucher schließlich los.
    »Im Bistum Konstanz hat man kürzlich einen Hexenprozess geführt – vielleicht habt Ihr davon gehört?«
    Er bemerkte wohl, wie die Gemahlin seines Freundes bei diesen Worten zusammengezuckt war, und er wollte erst nicht weitersprechen.
    »Fahrt ruhig fort, Herr von Bohlen«, bat Helene aber gleichmütig, nachdem sie sich blitzschnell gefasst hatte.
    »Eine arme Landstreicherin mit Namen Emerenzia Bichler ist zusammen mit ihrer alten, kranken Mutter und ihren vier Kindern von den Konstanzer Richtern zum Tode wegen Hexerei verurteilt worden.«
    Alle Anwesenden zogen hörbar den Atem ein. Schon wieder hatte der Wahnsinn zugeschlagen. Aber warum war Hartwig wohl gekommen, um ihnen dies zu berichten? Solche Dinge geschahen, wie sie wussten, immer wieder, und es
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