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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
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Seebach Kunde erhalten, im Ort Grimmerswald, und zwar von einem Bergwerk mit Namen »Silbergründle«, in Richtung Mummelsee, wo man bereits um das Jahr 1000 Silber gefunden hatte. Die Mine war vor einem Jahrzehnt wegen Unergiebigkeit aufgegeben worden. Recht voreilig, wie sich nun erwies. Man könne den Abbau in Kürze wieder aktivieren, und dann würde er endlich in der Lage sein – wie vor einigen Jahren Albrecht von Wallenstein – den Kaiser zu unterstützen, um Gustav Adolf, diese Pest des Protestantismus, ein für alle Mal aus Deutschland zu vertreiben.
    Es war schon schlimm genug, dass sich freie Reichsstädte – wie etwa das stolze, reiche Nürnberg – zu dieser Ketzerreligion bekannten. Und das gesamte Hanauer Land – mit Ausnahme eines einzigen Klosters – war bereits protestantisch, wie auch das Grafengeschlecht derer von Fürstenberg, ganz gegen die Interessen der Habsburger und die der Bischöfe von Straßburg.
    Ferfried von Ruhfeld hatte beinahe den ganzen Krug, welcher immerhin zwei Liter fasste, geleert. Dem war es wohl auch zuzuschreiben, dass er bei diesem ganzen wunderbaren Gedankengebäude nicht auf dessen eklatantesten Schönheitsfehler stieß: Die Mine »Silbergründle«, deren Ausbeute er dem Kaiser überlassen wollte, gehörte nicht ihm: Jakob Hagenbusch, der Schultheiß der Ortenaugemeinde Reschenbach, war der Bergwerkseigner.
    Hagenbusch war ein reicher Freibauer, dessen Familie früher angeblich der untersten Schicht der Ritterschaft angehört hatte, dem Stand der sogenannten »Edelknechte«. Infolge zahlreicher Fehden mit adeligen Nachbarn verarmt und zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken, aber später durch Heirat mit reichen Bauern- und Bürgerstöchtern erneut zu Wohlstand gelangt, hatten die Hagenbuschs zwar ihr Adelsprädikat verloren, aber Jakob Hagenbusch war nach dem Grafen der größte Winzer in der Gegend und besaß ausgedehnte Wälder sowie Erzgruben im Schwarzwald.
    Die Straßburger Bischöfe hatten diese Silberfunde zum Zweck der Münzprägung bisher nicht genutzt. Das bedeutete allerdings auch, dass der Silber- und Kupferbergbau im Gegensatz zum Eisenerzabbau, der zu allen Zeiten der bischöflichen Territorialherrschaft blühte, von bischöflicher Seite aus keine tatkräftige Unterstützung erhielt.
    Hagenbusch war Vater eines Sohns, Georg, sowie einer reizenden, liebenswürdigen Tochter von achtzehn Jahren mit Namen Helene. Dieses Mädchen, »das Helen«, wie man im Badischen sagte, war die beste Freundin von Ferfrieds stolzer Tochter Adelheid.
    »Ich lieb das Helen, als wär’s eine Schwester von mir«, sagte Fräulein Adelheid des Öfteren. Die beiden Mädchen – die Grafentochter war ein knappes Jahr älter – steckten seit ihrer Kindheit ständig zusammen, und so kam es, dass Helene, obgleich aus bäuerlich bürgerlichem Stande, nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt hatte, sondern mit dem adeligen Fräulein gemeinsam in anderen Fächern unterrichtet worden war, wie Latein, Geographie sowie Pflanzenkunde und Religion.
    Die jungen Frauen interessierten sich für Heilpflanzen und deren nutzbringende Anwendung, und auch auf zierliche Handarbeiten verstand sich das Helen vortrefflich – »besser als ich es vermag«, erkannte Adelheid neidlos an.
    Freilich hatte es nicht an offener wie versteckter Kritik gefehlt, dass ein Bauernkind, noch dazu ein Mädchen, gleich einer jungen Gräfin erzogen worden war. Besonders der Ortsgeistliche, Pfarrer Ingo Hasenauer, hatte ins Feld geführt, dass solches »wider die göttliche Ordnung sei«, aber der Graf hatte darüber bloß gelacht und gemeint: »Ich denk, den Herrgott wird’s nicht scheren, ob ein Bauernmädchen zusammen mit meiner
    Adelheid Unterricht erhält. Der Liebe Gott hat, mein ich, Wichtigeres zu tun, als sich darum zu bekümmern. Und der Pfarrer ebenfalls …«
    Ferfried von Ruhfeld hatte gleich erkannt, was dem geistlichen Herrn in Wahrheit sauer aufstieß: Dass Mädchen überhaupt – und seien es auch Adelige – unterrichtet wurden. Denn Hochwürden selbst stand sein Lebtag lang mit dem Lateinischen auf Kriegsfuß. Wozu musste ein Weibsbild rechnen können und über Geographie Bescheid wissen? Das Finanzielle regele später der Ehemann, und außerdem komme die Frau ja doch nirgendwohin, außer in die Kirche und daheim in die Küche und ins Wochenbett. Und warum solle man sie in Religion unterweisen? Was Weiber wissen mussten, sage ihnen sowieso der Pfarrer. Es reiche völlig aus, wenn sie kochen,
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