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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
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gewähren, wollte persönlich aber nicht mit derartigen Vorgängen behelligt werden.
    Selbst die Anhänger Luthers waren für ihn nicht gerade vom Satan besessen. Äußerst lästig erschienen sie ihm, dem barocken Genussmenschen, in ihrer Askese, und oftmals sehr scheinheilig in ihrem vorgeblichen Verzicht auf jede Art der Lebensfreude; wobei er durchaus zugab, dass sie in vielem nicht unrecht hatten. Man sollte sie seiner Meinung nach unbedingt im Auge behalten und nicht allzu sehr »hochkommen« lassen.
    »Der Bayer Maximilian hat dem Kaiser, Eurem Herrn, einen wahrhaft schlechten Dienst erwiesen, als er ihn veranlasste, Albrecht von Wallenstein, den Friedländer, als Generalissimus abzusetzen. Tilly ist zu alt, und das Feldherrngenie des Friedländers hat er nie besessen. Unter Wallenstein wäre die Brandschatzung Magdeburgs jedenfalls nicht möglich gewesen«, behauptete Kardinal Richelieu, »obwohl auch dessen Söldner keineswegs Chorknaben sind.«
    Er putzte sich mit seiner Serviette sorgfältig die mit Wein benetzten Lippen ab. »Aber uns soll das nur recht sein. Ich darf Euch im Geheimen anvertrauen, verehrter Freund und Bruder in Christo, dass sich Frankreich verpflichten wird, den Feldzug des Schwedenkönigs in Deutschland zu finanzieren.«
    Bischof Leopold glaubte erst, sich verhört zu haben. Eben hatte er sein Glas erhoben, um seinem geschätzten Gast zuzutrinken, nun aber setzte er den geschliffenen Pokal behutsam ab.
    »Habe ich Euch eben richtig verstanden, lieber Freund und Kardinal? König Ludwig XIII., seine ›Allerkatholischste Majestät‹, will auf einmal die Protestanten unterstützen?«
    »Aber ja, geschätzter Bischof! Was hat die Religion damit zu tun? Diese kluge Entscheidung meines Monarchen – hinter welcher ich übrigens mit ganzem Herzen stehe – ist eine rein politische. Der Klammergriff Habsburgs ist für unser teures Frankreich so inakzeptabel, dass es absolut notwendig erscheint, ihn zu lockern und wenn möglich, gänzlich abzuschütteln. Und wer wäre dazu besser geeignet als »der Löwe aus Mitternacht«, der König der Schweden? Es ist an der Zeit, dass endlich jemand dem Kaiser – dieser Kreatur, die aus unerträglichem Hochmut, gepaart mit Ignoranz, Feigheit, Fanatismus, Hinterhältigkeit und Scheinheiligkeit besteht -, seine Grenzen aufzeigt. Ihr mögt mir meine Offenheit verzeihen, mon Ami. Tilly ist alt – zweiundsiebzig – und dazu kränklich, und es ist abzusehen, dass der Kaiser seinen besten Mann, den Wallenstein erneut zum Oberbefehlshaber seiner Truppen machen wird. Umso wichtiger ist es deshalb, dass Gustav Adolf gegen den anmaßenden Habsburger gestärkt wird.«
    Natürlich hatte diese Rede den Bischof im ersten Augenblick schockiert. Doch allzu sehr wunderte er sich nicht über eine solche Politik. Frankreichs feindliche Haltung den Habsburgern gegenüber war bekannt. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Gemahlin Ludwigs XIII., die Schwester des spanischen Habsburgers Philipps IV. war.
    Also beglückwünschte der Bischof von Straßburg spöttisch seinen Gast zu diesem »klugen und wohldurchdachten Plan«. Er zweifelte selbstverständlich keinen Augenblick daran, dass er von Richelieu selbst stammte und nicht vom französischen König, dessen Intelligenz dazu vermutlich nicht reichte: Seine Majestät fertigte bekanntermaßen lieber Stühle an und vergnügte sich mit seinen Favoriten auf der Vogelbeiz, komponierte ein Madrigal oder kochte ein Erbsengericht mit Schinken und gekochten Eiern …
    Leopold war sich außerdem seit Langem bewusst, dass sein Freund und geistlicher Bruder keinen Augenblick zögern würde, das Elsass für die französische Krone zu annektieren und bis an den Rhein vorzustoßen – sollte sich der Kaiser in strategischer Hinsicht nur die allerkleinste Blöße geben.

KAPITEL 4
    SCHON DEN GANZEN TAG hatte Fräulein Adelheid ungeduldig auf ihre Freundin, Helene Hagenbusch, die hübsche Tochter des Schultheiß von Reschenbach, gewartet. »Wo bleibt sie nur?«, fragte sie mehrmals ihre Vertraute und Zofe Ursula, »das Helen hat mir fest versprochen, mir bei der komplizierten Stickerei an dem Wams für Vater zu helfen. Sie weiß doch, wie ungeschickt ich mich bei derlei Sachen anstelle.«
    Adelheids mandelförmige, dunkle Augen – ein Erbteil ihrer verstorbenen Mutter Sybilla – blitzten ärgerlich. Sie wurde zunehmend ungehaltener, je weiter der Tag fortschritt. Die nur ein Jahr ältere Ursula wagte es schließlich, ihrer jungen
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