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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
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geschehen war. Und was sie daraufhin von dem jungen Burschen zu hören bekam, war in der Tat geeignet, sie regelrecht zu verstören.
    Am frühen Vormittag waren sechs ungehobelte und dreiste Kerle auf dem Hof des Schultheiß Jakob Hagenbusch erschienen, hatten dessen Ehefrau Walburga unsanft beiseitegeschoben und lautstark nach deren Tochter Helene verlangt.
    Hagenbusch selbst hielt sich zu dieser Zeit im Reschenbacher Gemeindeamt auf, wo er sich mit einer lästigen Angelegenheit befassen musste. Denn ein Bauer aus dem Ort hatte, entgegen den Anordnungen des dörflichen Bannwarts, ein bestimmtes Stück Weg trotz mehrmaliger Aufforderung noch immer nicht instand gesetzt. Der Schultheiß musste ihn heute zur Sache vernehmen und ihm, im Falle eines schuldhaften Versäumnisses eine Strafe von zwei Schillingen aufbrummen. Das Gleiche galt für einen anderen Bauern, der beim letzten Brand im Dorf nicht beim Löschen geholfen hatte.
    Hagenbuschs sechsundzwanzig Jahre alter Sohn Georg befand sich an diesem Tag seit den frühen Morgenstunden auf dem Weg in die Freie Reichsstadt Offenburg, wo er vor Gericht als Zeuge in einem Rechtsstreit auszusagen hatte.
    Und das Gesinde war mit Ausnahme einer uralten Magd und eines Knechtes, der mit gebrochenem Bein in der Gesindekammer lag, draußen beim Heuen auf den Wiesen.
    Helene die lärmende Besucher in der Küche gehört hatte, war dorthin geeilt und wollte sich nach deren Begehr erkundigen. Irritiert sah sie ihre kränkliche Mutter händeringend vor dem gemauerten Herd stehen. Die Bäuerin Walburga war eine scheue, zierliche Person und leicht einzuschüchtern.
    Drei der jungen Männer kannte Helene seit ihrer Kindheit, aber ehe sie aufatmen konnte, fiel ihr siedendheiß ein, dass sie allesamt Gehilfen des Henkers, Martin Scheible, waren …
    »Was führt ihr euch denn so unchristlich laut auf?«, fragte sie und lachte gezwungen. »Wenn ihr vom Schultheiß etwas wollt, müsst ihr aufs Gemeindeamt gehen. Mein Vater ist nicht zu Hause, das seht ihr doch.« Sie ärgerte sich, weil sich die Knechte so großspurig benahmen und sich in Walburgas Küche aufgepflanzt hatten, als besäßen sie hier das Hausrecht. »GOTT befohlen, Männer!«, hatte Helene dann ziemlich laut gerufen, wie um sich Mut zuzusprechen und dabei abschließend eine Handbewegung gemacht, als wollte sie Hühner verscheuchen.
    Die Helene bekannten Burschen schienen sich jetzt etwas zu genieren und zogen sich zur Küchentür zurück, aber die anderen drei lachten bloß. Und weil dieses Lachen so dreckig klang, war Helenes Mutter überzeugt gewesen, dass da etwas ganz und gar nicht stimmte.
    So hatte es Walburga jedenfalls dem Edelknecht Wilhelm erzählt. Ehe es sich die Tochter und das Eheweib des Schultheißen versahen, hatten die sechs – die auch Walburga mittlerweile als Helfershelfer des Henkers Scheible, der zugleich Sekretär der Landvogtei Ortenburg war, erkannt hatte – das Helen mit einem mitgebrachten Kälberstrick regelrecht verschnürt, wobei sie nicht zimperlich vorgingen, und einer der Schergen hatte ihr ganz offen und sehr grob an den Busen gefasst. Sie hatten Helene dann quasi wie einen gefällten Baumstamm aus dem Haus geschleppt, über den Hof und auf die Straße, wo ein mit ein paar Strohbündeln gepolsterter Karren bereitstand, in den sie die Tochter des Schultheißen unsanft gesetzt hatten.
    Die Burschen, allesamt rohe und ungebildete Kerle, die es genossen, »von Amts wegen« unter den Bewohnern der Gegend Angst und Schrecken zu verbreiten, unterstanden bloß dem Henker. Nur dem Scheible waren sie für ihr Tun verantwortlich, und der hatte ihnen nicht gesagt, dass sie besonders zartfühlend mit dem jungen Weibsbild umgehen sollten.
    Die Karre war anschließend von einem müden Gaul nach Ortenberg – einen der Gerichtsorte der Ortenau, neben Achern, Appenweier und Griesheim – gezogen worden.
    »Und da haben sie das Fräulein Helene in den ›Hänsele-Turm‹ von Schloss Ortenberg gesteckt«, beendete Wilhelm von Kirchhofen seinen erschreckenden Bericht.
    »Weshalb denn, um Christi willen?« Gräfin Adelheid versagte beinahe die Stimme. »Wer hat das veranlasst?«
    »Das hat die Walburga auch nicht gewusst – und ihr Mann, der Jakob Hagenbusch, ist noch nicht nach Haus gekommen«, berichtete Wilhelm schulterzuckend. »Die Leute sagen, man habe den Schultheiß in den Räumen des Gemeindeamts festgesetzt, wo er vorläufig unter Bewachung verbleiben müsse.« Adelheid überlegte fieberhaft.
    Es war
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