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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin
Autoren: Karla Weigand
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leider nicht das erste Mal, dass der Hexenverfolgung auch in der Ortenau viele Frauen zum Opfer fielen. Sie hatte sofort gewusst, dass man ihrer Freundin Helene vorwarf, eine »Hexe« zu sein. Das war an der Art ihrer Verschleppung ins Gefängnis ersichtlich.
    Eine angebliche Hexe ließ man nie zu Fuß ins Gefängnis gehen: Solange sie den Boden berührte, sei sie imstande – so der Glaube – ihre Häscher zu verzaubern. Daher wurden der Hexerei beschuldigte Frauen immer getragen oder gefahren, um sie ihrer übernatürlichen Kräfte zu berauben.
    Aber wer konnte eine derart ungeheuerliche sowie lächerliche Anschuldigung gegen das junge Mädchen erhoben haben? Seit 1628 hatte das unselige Hexenbrennen in der Ortenau aufgehört. Der Widerstand in der Bevölkerung war damals so groß geworden, dass die Kirche für ein Aussetzen der Hexenprozesse plädiert hatte.
    Der Bischof von Straßburg höchstpersönlich hatte seine Gerichtspersonen angewiesen, das Vorgehen gegen »zauberische Personen« für eine Weile auszusetzen.
    Wollte man jetzt etwa wieder mit diesen unseligen Prozessen beginnen? Sollte ihre unschuldige Freundin das nächste Opfer werden?
    Unschuldig waren sie nämlich alle gewesen – das wusste Adelheid mit absoluter Gewissheit. Weder ihr Vater, noch sein Beichtvater, Pater Ambrosius, glaubten an Hexen – obwohl der Mönch sich damit im gefährlichen Widerspruch zur gültigen, kirchlichen Lehrmeinung befand. Jeder übel meinende Eiferer durfte daher eigentlich mit Fug und Recht den Benediktiner als »Hexenmeister« diffamieren.
    »Alles Unsinn«, hatte der Benediktiner seinen Schäflein im Schloss gepredigt. »Leider sind sich da die Katholiken und die Protestanten einig. Fast immer sind es alte, arme, auch im Geiste schwache Weiber, die für diesen gottlosen Wahn und die abartigen Phantastereien herhalten müssen, die sich diese hirnkranken Hexenrichter ausgedacht haben.« Allzu laut und gar außerhalb der Schlossmauern wagte Pater Ambrosius allerdings nicht, seine abweichlerische, »ketzerische« Meinung kundzutun. Denn jeder, der diese Überzeugung hinsichtlich der »Hexen« teilte, befand sich in wahrhaft lebensgefährlicher Gegnerschaft zu Kaiser und Papst.
    Bei den Protestanten begann erst langsam und zögernd ein Umdenken. So hatte etwa der Schwedenkönig Gustav Adolf jeden Hexenprozess in den von ihm eroberten Gebieten verbieten lassen.
    In katholischen Gebieten wagten das nur wenige Landesherren. Beispielsweise gab es im Einflussbereich des idyllisch gelegenen Benediktinerklosters Ettal im Oberbayerischen – woher Pater Ambrosius stammte – keine »Verfolgung zauberischer Frauen«, während außerhalb dieser Abtei die Scheiterhaufen hingegen weiter loderten.
    Graf Ferfried hatte nicht zu den Mutigen gehört, die sich gegen diese Gräuel bisher offen aufgelehnt hatten. Obwohl er solche Grausamkeiten verabscheute, hatte er nicht den Mut gehabt, mannhaft dagegen vorzugehen. Wenn selbst der Papst sie doch für rechtens hielt?
    Noch wussten nur wenige Gläubige, dass sogar der amtierende Pontifex Maximus selbst ein Glaubenszweifler war. In einigen Jahren würde Urban VIII. nämlich die wenig päpstlichen Worte sprechen: »Wenn es einen Gott gibt, wird Kardinal Richelieu viel zu verantworten haben. Wenn nicht, dann ist er so schlecht nicht dabei gefahren.«
    Hasso von Ruhfeld mochte die Feigheit seines Vaters zwar bedauern, aber auch manchmal heftige Diskussionen hatten an dessen Haltung nichts geändert. Blieb zu hoffen, dass der junge Graf in Zukunft wenigstens in seinem kleinen Einflussbereich dem entsetzlichen Unwesen ein Ende bereitete.
    Aber hier und jetzt musste dagegen eingeschritten werden. Schließlich ging es ums Helen’, ihre »liebe Schwester«. Adelheid beschloss allem Abschiedstrubel zum Trotz, den Grafen damit zu behelligen. Ihr Vater hatte die Pflicht, gegen die ungesetzliche Festnahme ihrer Freundin einzuschreiten.

KAPITEL 6
    GRAF FERFRIED REAGIERTE indessen keineswegs so, wie seine Tochter es sich gewünscht hatte. Ganz freundlich hatte er Adelheid angehört, aber ein Eingreifen seinerseits rundweg abgelehnt. Auch als sie ihn massiv bedrängte und sogar ihre Stimme erhob, blieb er überraschend gelassen und ruhig.
    Adelheid ahnte, weshalb ihr Vater so gut gelaunt war. Es war ihr nicht verborgen geblieben, dass er nachts wieder einmal Besuch gehabt hatte; Besuch von einer Frau aus dem Volk, einer so genannten »Venusdienerin«, die noch vor Morgengrauen in Begleitung zweier
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